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Viel Beton, wenig Grün: Wann Städten ein Hitzekollaps droht

Die Deutsche Umwelthilfe warnt vor einer drohenden „Hitzehölle“ in deutschen Städten. Entsiegelung von Flächen und mehr hochwertig bepflanztes Grün seien notwendig, um Bewohner*innen vor den steigenden Temperaturen zu schützen.

von Karin Billanitsch · 30. Juli 2024
Ludwigshafen

Ludwigshafen gehört laut einer Studie der deutschen Umwelthilfe (DUH) zu den Städten, deren Fläche zu mehr als 50 Prozent versiegelt sind, mit gleichzeitig wenig hochwertigen, kühlenden Grünflächen.  

Immer öfter steigen die Temperaturen in Deutschlands Städten extrem hoch – 30 Grad und mehr ­­­–­ infolge der Klimakrise. Nicht alle Kommunen sind aber gleichermaßen darauf vorbereitet, die Menschen zu schützen. Zu viel Beton, zu wenig Grün: Neue Daten der deutschen Umwelthilfe zeigen, wie stark die Flächen in 190 Städten über 50.000 Einwohnern versiegelt sind. Die Ergebnisse hat die DUH in ihrem ersten „Hitze-Check“ veröffentlicht. Auch wie viel „Grünvolumen“ vorhanden ist, also Grünflächen mit Bäumen oder Büschen, haben die Wissenschaftler untersucht. Die Daten stammen von der Luftbild Umwelt Planung GmbH. 

Probleme Hitze und Starkregen

Mehr betonierte Flächen und wenig kühlendes Grün heizen das Stadtklima auf, Beton wird bis zu 50 Grad heiß. Deshalb ist die Versiegelungsquote wichtig beim Hitzecheck, so die Autor*innen der Studie „Wir erleben nicht nur hohe Temperaturen, sondern auch Starkregenereignisse, wo schnell viel Wasser herunterkommt“, sagt DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. Sie stand nicht nur einmal mit den Knöcheln im Regenwasser, weil das nicht so schnell versickern konnte. 

Aus diesen Gründen brauche es mehr Grünflächen, so Metz. Tag für Tag würden in Deutschland 50 Hektar Fläche neu versiegelt. Das entspreche einem Zuwachs von jährlich einer Stadt wie Hannover, so Metz. Der anhaltende Trend sei alarmierend: „Tatsächlich laufen wir in Deutschland Richtung Hitzehöllen in den Städten.“

Barbara Metz

Tatsächlich laufen wir in Deutschland Richtung Hitzehöllen in den Städten.

Ludwigshafen, Heilbronn und Regensburg sind am stärksten versiegelt mit 57,75 Prozent, 54,34 Prozent und 53,98 Prozent undurchlässigen Böden. Es folgen Worms, Mainz, Ludwigsburg sowie Ingolstadt, Nürnberg und Mannheim an neunter Stelle. Sie haben alle eine Versiegelung von mehr als 50 Prozent. Auch das „Grünvolumen“ ist bei den Negativ-Spitzenreitern schlecht: Die führenden sieben Städte im Ranking haben unter 2 Kubikmeter Grün pro einem Quadratmeter Fläche vorzuweisen. Damit sind Bäume, Büsche oder Vegetationsstreifen gemeint.

Städte mit vergleichsweise wenig Versiegelung und hohem Grünvolumen bekamen von der DUH eine Grüne Karte. Detmold, Ratingen, Potsdam und Jena schnitten am besten ab. Städte wie Sindelfingen oder Kaiserslautern sind zwar extrem stark versiegelt, haben aber viel Grünvolumen. Solche Städte erhalten eine Gelbe Karte und liegen im Mittelfeld. Städte wie Pulheim und Wilhelmshaven, die eine vergleichswiese geringe Versiegelung aufweisen, aber gleichzeitig sehr wenig Grünvolumen besitzen, bekommen ebenfalls eine Gelbe Karte.

Bundesbauministerium mit Hitzeschutz-Strategie

Bundesbauministerin Klara Geywitz hat das Thema Hitzeschutz bereits auf der Agenda. „Der Klimawandel und seine Folgen werden vor allem in unseren Städten in den Sommermonaten deutlich spürbar. Wer in der Stadt lebt, leidet in Rekordhitzesommern unter tropischen Nächten und schwülen Tagestemperaturen. Dies stellt gerade für ältere Menschen und kleine Kinder ein Gesundheitsrisiko dar“, teilte die Ministerin am Montag mit und präsentierte eine Hitzeschutzstrategie aus ihrem Haus. Zu den Kernaussagen gehörte auch die Forderung, mehr Grün zu schaffen, das für Abkühlung sorgt, beispielsweise durch Dach- und Fassadenbegrünung.

Klara Geywitz

Wer in der Stadt lebt, leidet in Rekordhitzesommern unter tropischen Nächten und schwülen Tagestemperaturen. Dies stellt gerade für ältere Menschen und kleine Kinder ein Gesundheitsrisiko dar.

Der Hitzeschutz soll „insbesondere im Zuge der Baugesetzbuch-Novelle“ gestärkt werden, heißt es. Dadurch werde der Handlungsrahmen der Kommunen erweitert. Auch in Förderprogrammen sollen gezielt Hitzeschutzmaßnahmen unterstützt werden. Dazu erläuterte die Ministerin: „Wer frisches Geld aus unseren Förderprogrammen will, muss Klimaanpassung mitdenken und nachweisen. Dabei fördern wir, dass Flüsse von Beton befreit werden und wieder kühle Luft bringen. Zudem fördern wir unter anderem das Aufgraben und Neu-Begrünen von zubetonierten, kaum genutzten Plätzen, die in der prallen Sonne niemanden zum Bleiben anregen.“

Die geplante Baugesetzbuch-Novelle enthält einige allgemeine Änderungen, etwa dass Klimaschutz und -anpassung in der Bauleitplanung als wichtige Belange gestärkt werden. Auch in den Bebauungsplänen gibt es mehr Spielraum für Kommunen bei der Festsetzung von Maßnahmen für Klimaschutz. 

Rechtlich verbildliche Ziele gefordert

Diese Maßnahmen reichen der DUH nicht aus: „Wir fordern von der Bundesregierung ein rechtlich verbindliches Ziel, die Flächenversiegelung in Deutschland bis spätestens 2035 zu stoppen.“ Die Bundesregierung müsse jetzt wirksame Maßnahmen ergreifen, wie zum Beispiel bundesweite Standards für die Begrünung von Schulhöfen vorzuschreiben. Metz: „Wir fordern verbindliche Grünanteile auf kommunaler Ebene und Umbau statt Neubau.“

Modellprojekte als GKV-Kooperation

Die klimatischen Bedingungen in einer Stadt wirken sich auch auf die Gesundheit aus. Darauf macht Frank Winkler aufmerksam, der das GKV-Bündnis für Gesundheit Baden-Württemberg leitet. Gemeinsam mit der DUH betreut der das Projekt „Gesund unterwegs im Stadtquartier“. Modellstädte sind Mannheim und Singen. Dabei sollen vier Schulhöfe und die umgebenden Stadtviertel gesundheitsförderlich gestaltet werden. „Die Beteiligung betroffener Zielgruppen, in diesem Fall von Kindern und Jugendlichen, steht dabei im Fokus“, erläutert Winkler. 

 

Mehr zum Thema:
Auf duh.de ist das Ranking der deutschen Städte im Hitze-Check zu finden.

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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