Aktuelles

Warum zwei Landkreise eine bessere Finanzausstattung einklagen wollen

Zwei Landkreise in finanziellen Nöten suchen Hilfe beim Bundesverfassungsgericht. Das soll ihnen bestätigen, dass sich ihre Forderung nach einer besseren Finanz-Autonomie aus Artikel 28 im Grundgesetz ableiten lässt.

von Uwe Roth · 13. Dezember 2024
Adler-Skulptur am Bundesverfassungsgericht Karlsruhe

Adler-Skulptur am Bundesverfassungsgericht Karlsruhe: Hier wird ein wichtiges Urteil zu Kommunalfinanzen erwartet.

Beschwerdeführer sind der Landrat des Kreises Mansfeld-Südharz, André Schröder (CDU), und der des Salzlandkreises, Markus Bauer (SPD). Beide Kreise liegen in Sachsen-Anhalt. Am Freitag erläuterten die Landräte in einer Pressekonferenz, warum sie den Schritt vor das höchste deutsche Gericht für notwendig erachten und warum sie dies stellvertretend für alle 294 Landkreise in Deutschland tun. Im Kern des Konflikts geht es darum, dass sie der Überzeugung sind, Landkreise hätten auf ihre Einnahmenseite zu wenig Einfluss.  

Das sei nicht konform mit dem Grundgesetz, argumentieren sie in ihrer Beschwerde, die sie am Freitag beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) einreichten. Sie könnten nicht eigenverantwortlich zusätzliche Einnahmen generieren, wenn die Ausgaben stiegen. Ihnen bliebe folglich nichts anderes übrig, als Haushaltslöcher über die Aufnahme von Krediten zu stopfen. Und der Schuldenberg der Landkreise wachse stetig. Bundesweit hätten vier von fünf Landkreise keinen ausgeglichenen Haushalt, sagte Götz Ulrich, Präsident des Landkreistags in der Pressekonferenz. Die gesetzliche Überschuldungsgrenze sei in seinem Landkreis erreicht, versicherte Schröder. „Wir haben kein Ausgabeproblem, sondern ein Einnahmeproblem.“

Die Landräte beklagen zum einem, sie hätten zu wenig Spielraum, den Hebesatz zur Berechnung der Kreisumlage auskömmlich zu gestalten. Dieser bestimmt die Höhe der Summe, die jede Kreiskommune abführen muss. Doch den Hebesatz beliebig anzuheben, ist den Landkreisen nicht erlaubt, weil sie die Kreiskommunen nicht überfordern dürfen. Geld ist in fast jedem kommunalen Haushalt knapp. Der Landkreis Mansfeld-Südharz bekam zu spüren, wenn sich Kommunen gegen ein Anheben der Kreisumlage gerichtlich zur Wehr setzen: Das Oberlandesgericht Magdeburg bestimmte im vergangenen Jahr, dass der Landkreis 46 Millionen Euro zurückerstatten müsse, weil die Höhe der Kreisumlage unangemessen gewesen sei. Nach der Rückzahlung war die Kreiskasse leergeräumt. Das Land hat nach einem Hilferuf des Landrats im März mit 21 Millionen Euro ausgeholfen. Schröder konnte damit die Haushaltssperre wieder aufheben.

Landkreise fordern „finanzielle Eigenverantwortung“ ein

Ein weiterer Vorwurf der Landräte geht an das Land Sachsen-Anhalt sowie an den Bund. Diese würden den Landkreisen immer mehr Aufgaben übertragen, ohne dafür das Geld zur Erfüllung in ausreichenden Summen hinterherzuschieben. „Ungenügende Landeszuweisungen“, kritisieren sie. Das alte Kaufmannsprinzip, wer bestellt, der zahlt, gelte nicht mehr. Landkreise haben ein aus ihrer Sicht durch das Grundgesetz verbrieftes Recht, auf ihre Leistungsfähigkeit zu pochen, begründen sie ihre Verfassungsbeschwerde. Landkreise dürften, um nicht bankrottzugehen, keine Schuldenberge auftürmen müssen, um arbeitsfähig zu bleiben.  

Davon sind die Landkreisvertreter überzeugt. Sie verweisen in ihrer Beschwerdeschrift auf Artikel 28, Absatz 2. Die Verfassungsrichter*innen werden sich im Speziellen am 3. Satz in diesem Absatz abarbeiten müssen. Der lautet: „Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.“ Für Städte und Gemeinden sei dieses Recht gerichtlich bestätigt worden. Das Bundesverfassungsgericht habe sich bislang nicht damit beschäftigt, ob sich die daraus ergebende Leistungsfähigkeitsgrenze auch für Landkreise gelte. Das sollen die Karlsruher Richter*innen nun letztinstanzlich klären.

Vorhandene Mittel gerechter Verteilen

Für Landrat Schröder ist die Sachlage eindeutig: Wenn die Kreiskommunen, das Land und der Bund nicht mehr zahlen können, „muss das vorhandene Geld für alle reichen“. Landkreise dürften nicht leer ausgehen. Er fordert eine Umverteilung oder weniger Aufgaben für die Landkreise. Zudem ist er überzeugt, dass das Land Sachsen-Anhalt eine der drei Verwaltungsebenen einsparen könnte. Das würde viele Personalkosten sparen. Landrat Bauer erwartet beim BVerfG kein einfaches Verfahren. Ein Thema dürfte werden, ob die Landkreise nicht bei den freiwilligen Aufgaben sparen könnten, um finanziell besser dazustehen. Das wären zum Beispiel Kürzungen bei Musikschulen oder Volkshochschulen. Bauer sieht darin keinen Spielraum: „Wir wollen unseren Lebensraum auch gestalten können. Diese Möglichkeit darf uns nicht genommen werden.“

In Rheinland-Pfalz haben die Stadt Pirmasens und der Landkreis Kaiserslautern beim BVerfG ähnliche Beschwerden eingereicht. Die Geschäftsführerin des Landkreistages Sachsen-Anhalt, Ariane Berger, hofft darauf, dass die Verfahren verbunden und zeitnah behandelt werden. 

Autor*in
Uwe Roth

ist freier Journalist. Er ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung und dort im Redaktionskreis für eine DIN Einfache Sprache. Webseite: leichtgesagt.eu

Noch keine Kommentare
Schreibe einen Kommentar

Eingeschränktes HTML

  • Erlaubte HTML-Tags: <a href hreflang> <em> <strong> <cite> <blockquote cite> <code> <ul type> <ol start type> <li> <dl> <dt> <dd> <h2 id> <h3 id> <h4 id> <h5 id> <h6 id>
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.