Wie die Bundesregierung Kommunen mit hohen Altschulden helfen will
Trotz Ampel-Aus will Kanzler Olaf Scholz noch vor der Wahl ein Gesetz durchs Parlament bringen, um Kommunen mit hohen Altschulden finanziell handlungsfähiger zu machen. Was die Regierung plant, erklärt Sarah Ryglewski (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium.
Photothek / SPD-Bundestagsfraktion
Sarah Ryglewski ist Staatsministerin beim Bundeskanzler und Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium.
DEMO: Die rot-grüne Bundesregierung will noch vor der Neuwahl ein Gesetz auf den Weg bringen, um Kommunen mit hohen Altschulden zu entlasten. Wann ist damit zu rechnen?
Sarah Ryglewski: Die Städte und Gemeinden stemmen über 40 Prozent der öffentlichen Investitionen. Viele Kommunen stehen aber vor dem Problem, dass ihnen trotz guter Absichten und großen Engagements schlicht der Spielraum fehlt, die nötigen Zukunftsinvestitionen zu tätigen. Das gilt insbesondere für Kommunen, die stark vom Strukturwandel betroffen sind und deshalb unverschuldet vor einem Schuldenberg stehen. Als Sozialdemokraten haben wir schon in der letzten Legislaturperiode dafür gekämpft, hier zu einer guten Lösung zu kommen.
Klar ist, dass diese zentrale Frage für das Leben von vielen Bürgerinnen und Bürger vor Ort in den Städten und Gemeinden keinen Aufschub mehr duldet. Der Bundeskanzler hat deshalb den Finanzminister gebeten, einen Gesetzentwurf für eine Grundgesetzänderung zu erarbeiten. Dieser soll die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, eine Altschuldenlösung rasch auf den Weg bringen zu können.
Was sehen die Pläne der Regierung vor?
Ziel ist, dass Bund und Länder gemeinsam hoch verschuldete Kommunen von ihren Schuldenlasten befreien. Bund und Länder können dabei auch ihren Zinsvorteil gegenüber Kommunen nutzen – insbesondere gegenüber hoch verschuldeten Kommunen. Unsere Pläne sind also ökonomisch vorteilhaft, mal abgesehen von der Gerechtigkeitsfrage, der Stärkung kommunaler Investitionsmöglichkeiten und einer besseren Daseinsvorsorge, die für Bürgerinnen und Bürger unmittelbar spürbar wäre.
Die Pläne zur Lösung der Altschuldenproblematik sehen vor, dass sich der Bund durch die hälftige Übernahme von Landesschulden einmalig an den Entschuldungsvolumen der Länder beteiligt, wenn sie ihre Kommunen vollständig von ihren übermäßigen Liquiditätskrediten befreien. Dabei wollen wir auch dafür sorgen, dass jene Länder, die ihre Kommunen bereits entlastet haben, nicht schlechter gestellt werden. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass die Lösung auch nachhaltig ist. Deshalb ist klar, dass eine Form von Selbstverpflichtung darüber notwendig sein wird, dass nicht erneut hohe Schuldenstände auflaufen. Hier sind neben den Kommunen aber auch die Länder gefragt, die für eine angemessene Finanzausstattung ihrer Städte und Kommunen sorgen müssen.
Für den Bund gilt die Schuldenbremse und für 2025 gibt es noch keinen Bundeshaushalt. Lässt sich eine milliardenschwere Altschuldenhilfe unter diesen Umständen überhaupt umsetzen?
Es stimmt, die Haushaltslage war grundsätzlich schonmal einfacher. Aber mit Blick auf eine Altschuldenhilfe kann das kein Argument sein: Denn die Übernahme der Altschulden selbst ist von der Schuldenbremse nicht betroffen, wenn sie durch einen Schuldeneintritt erfolgt. Aber auch abgesehen davon vertrete ich die Überzeugung: Solide Haushaltsführung bedeutet auch Zukunftsinvestitionen zu ermöglichen. Eine Lösung der kommunalen Altschulden ist dabei eine wichtige, effektive und zugleich fiskalisch machbare Investition in die Zukunft der Kommunen. Am Ende bleibt es aber eine Frage von Solidarität und politischem Willen bei Bund und die betroffenen Länder gemeinsam Zins und Tilgung der Altschulden übernehmen. Dies kann in einer Weise geschehen, die keine der staatlichen Ebenen überfordert.
Die Städte und Gemeinden haben 2023 ein Defizit von mehr als sechs Milliarden angehäuft, Tendenz steigend. Wie könnte eine Lösung für das Problem aussehen – auch nach der Wahl?
Erstmals seit über zehn Jahren haben die kommunalen Haushalte im letzten Jahr ein Defizit erwirtschaftet. Auf kommunaler Ebene sind Zins-, Personal- und Sozialausgaben deutlich gestiegen, während die Einnahmeseite konjunkturbedingt nicht mitgehalten hat. Die Zuständigkeit dafür, die konjunkturellen Ungleichgewichte in den kommunalen Haushalten aufzufangen, liegt natürlich erstmal bei den Ländern. Aber es ist richtig, dass der Bund bereits in der Vergangenheit über viele Maßnahmen die kommunale Finanzsituation gestärkt hat, beispielsweise über, einen höheren Bundesanteil bei den Kosten der Unterkunft, die Kompensation der pandemiebedingten Gewerbesteuerausfälle, die Mitfinanzierung der Kosten für Geflüchtete, den Digitalpakt und die Regionalisierungsmittel.
Wichtig wird sein, mit guter Wirtschafts- und Finanzpolitik wieder zur notwendigen wirtschaftlichen Dynamik zurückzukehren, auch um die Einnahmeseite bei den Kommunen zu verbessern. Dazu gehört, dass die Industrie wieder Tritt fasst und die Investitionstätigkeit gestärkt wird. Eine Lösung bei den Altschulden trägt zur Entlastung bei jenen Kommunen bei, die diese am notwendigsten brauchen. Ich bin aber auch offen dafür, nochmal darüber nachdenken, wie wir die Konjunkturabhängigkeit der kommunalen Einnahmen weiter reduzieren oder bereits bestehende kommunale Förderprogramme weiter verbessern können.
Das Interview wurde schriftlich geführt.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.