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Wie Tobias Schick in Cottbus einen AfD-Bürgermeister verhindern will

Am Sonntag könnte Cottbus einen Oberbürgermeister von der AfD bekommen. SPD-Kandidat Tobias Schick will das verhindern. Denn es geht um weit mehr als nur die Frage, wer künftig im Rathaus das Sagen hat.
von Kai Doering · 7. Oktober 2022
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Wenn Tobias Schick über Cottbus spricht, kommt er schnell ins Schwärmen. Das hochmoderne Bahnwerk, die Universitätsmedizin und der „Lausitz Science Park“ mit zahlreichen Unternehmensansiedlungen – drei Megaprojekte, die zeigen, dass etwas geht in der Lausitz, 130 Kilometer südöstlich von Berlin. Vier Milliarden Euro sollen hier in den kommenden Jahren investiert werden. Doch je länger Schick redet, desto mehr Sorge mischt sich in seine Stimme. Sorge, dass all das abrupt ausgebremst werden könnte.

Die Entscheidung fällt am 9. Oktober

„Wie soll jemand mit einem Oberbürgermeister zusammenarbeiten, der nicht an den Strukturwandel glaubt und sagt, dass er nichts mit den Altparteien zu tun haben will?“, fragt Schick und meint damit Lars Schieske. Der will für die AfD Cottbusser Oberbürgermeister werden. Es wäre der erste der Rechtspopulist*innen in einer deutschen Großstadt. Im ersten Wahlgang am 11. September lag Tobias Schick mit 31,8 Prozent vorn. Schieske erhielt 26,4 Prozent. Am 9. Oktober fällt die Entscheidung in der Stichwahl.

SPD-Mann Schick wird mittlerweile von nahezu allen anderen Parteien in der Stadt unterstützt. Die AfD wettert deshalb gegen den „Einheitsblock“ und ein „Kartell“, das sich gegen ihren Kandidaten gebildet habe. Im Wahlkampf setzt sie zudem auf die Sorgen der Cottbusser*innen wegen der hohen Energiepreise. Seit einigen Wochen gibt es „Montagsdemonstrationen“ in der Stadt. Schieske ist immer dabei.

„Der Cottbusser ist schlau“, ist Tobias Schick dennoch überzeugt. Die Menschen in der Stadt wüssten, dass der Kampf gegen die hohen Energiepreise ein Thema sei, das auf Bundesebene gelöst werden muss. „Ich versuche den Menschen klarzumachen, dass es bei dieser Wahl darum geht, wie sich Cottbus für die nächsten acht Jahre aufstellt.“ So lange dauert eine Amtszeit des Oberbürgermeisters.

Erfahrungen aus dem Sport für die Politik nutzen

„Tobias schafft es, Menschen zu erreichen, die nicht unbedingt SPD-Wähler sind“, sagt Denis Kettlitz, Mitglied der SPD-Fraktion in der Cottbusser Stadtverordnetenvertretung und Schicks Wahlkampfmanager. So sei es ihm auch gelungen, den ersten Wahlgang für sich zu entscheiden, nachdem die SPD bei der Kommunalwahl 2019 nur auf dem dritten Platz gelegen hatten – hinter AfD und CDU.

„Bei allen Unterschieden geht es darum, wie wir als Menschen miteinander umgehen, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind“, sagt Tobias Schick. Und: „Menschen lassen sich immer dann begeistern, wenn sie mittun können.“ Zwei Dinge, die Schick im Sport gelernt hat. Als 15-Jähriger kam er an die Cottbusser Sportschule, war im Hürdenlauf erfolgreich. Heute ist er Geschäftsführer des Cottbusser Sportbundes. Erfahrungen, die er dort gesammelt hat, möchte der 42-Jährige künftig als Oberbürgermeister für Cottbus und seine knapp 100.000 Einwohner*innen nutzen.

Unterstützung von der Parteiprominenz

Damit das klappt, bekommt Tobias Schick Unterstützung aus dem gesamten Bundesgebiet. Vor einigen Tagen kam Berlins SPD-Vorsitzende und Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey zum Wahlkampf vorbei. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert war mittlerweile dreimal da. Münchens langjähriger Oberbürgermeister Christian Ude schickte eine Video-Botschaft, in der er sich nicht nur an einen schönen Aufenthalt in Cottbus erinnert, sondern auch vor der Gefahr eines Stadtoberhauptes von der AfD warnt. „Das ist nicht irgendeine lokale Personenwahl“, sagt Ude. „Das ist eine Richtungsentscheidung für ganz Deutschland.“ Und an die Cottbusser*innen appelliert er: „Entscheiden Sie sich für Ausgleich und Verständigung!“

Ganz ähnlich klingt der brandenburgische Ministerpräsident und SPD-Vorsitzende Dietmar Woidke als er einer Woche vor der Wahl bei strömendem Regen auf einer Bühne in der Cottbusser Innenstadt steht. Verschiedene Parteien, Vereine und Initiativen haben zu einem Demokratiefest eingeladen. Popsänger Alexander Knappe und weitere Musikgruppen spielen, ein Kinderchor sinkt. „Die bessere Wahl für Cottbus“ lautet das Motto. Trotz des Dauerregens herrscht ein bisschen Volksfeststimmung. Am Abend zählten die Veranstalter 1.500 Besucher*innen.

„Das ist eine ganz entscheidende Wahl“, betont Woidke. „Es geht dabei um die Zukunft unserer Kinder in der Region.“ Wenn die begonnene Entwicklung mit Bahnwerk und Science Park abgewürgt werde, hätte das schwerwiegende Folgen weit über Cottbus hinaus. Die Ansiedlung von Unternehmen brauche Weltoffenheit, auch für die benötigten Fachkräfte. „Wir brauchen in Cottbus Vielfalt statt Einfalt“, ruft Woidke unter dem Applaus der Menschen unter ihren Regenschirmen. „Weder die Lausitz, noch Brandenburg, noch Cottbus haben es verdient, dass Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Egoismus in dieser Stadt das Sagen haben.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Der studierte Politikwissenschaftler twittert unter @kai_doering.

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