Göttingen: Auf dem Weg zu null Abgasen
Rolf-Georg Köhler dürfte es in jüngster Zeit regelrecht warm ums Herz geworden sein. Kein Wunder, darf sich der Oberbürgermeister der Stadt Göttingen doch über die sauberste Luft in ganz Deutschland freuen – und mit ihm alle an diesem Langfrist-Projekt Beteiligten. Dass es sich in der altehrwürdigen Studentenstadt gut durchatmen lässt, hat die Europäische Umweltagentur (EUA) der Kommune in einer aktuellen Studie attestiert. Während die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine maximale Langzeitbelastung von 10 Mikrogramm Feinstaub je Kubikmeter empfiehlt, sind es laut EUA in Göttingen nur 7,3 Mikrogramm. Die Werte gelten jeweils für die beiden Bezugsjahre 2019 und 2020.
Verkehrswende von langer Hand
Doch diesen guten Wert hat die Kommune nicht von heute auf morgen erreicht. „Die Bemühungen reichen weiter zurück. Die Stadt hat sich in den 90er Jahren bereits mit dem Thema ‚Überwachung der Luftqualität‘ befasst. An der Bürgerstraße und Nohlstraße wurden stationäre Messstationen eingerichtet“, sagt Verwaltungssprecher Dominik Kimyon. Hinzu kommen eine ganze Reihe von Maßnahmen – diese haben nicht nur etwas mit Klimaschutz zu tun, sondern sind auch Bestandteil einer eingeleiteten Göttinger Verkehrswende.
Hierzu gehören der Masterplan „100% Klimaschutz“ beziehungsweise der „Klimaplan Göttingen 2030“ als dessen Fortschreibung. Für beides gab es eine sehr breite Bürgerbeteiligung. Insbesondere den Klimaplan bezeichnet Kimyon als „sehr umsetzungsorientiert“.
Vorfahrt für den ÖPNV
Der Masterplan ist ein Beispiel dafür, wie wichtig die kommunale Ebene für die Umsetzung der anvisierten Ziele der SPD im Verkehrssektor sind: „Wir werden die Verkehrswende voranbringen und bis 2030 das modernste und klimafreundlichste Mobilitätssystem Europas aufbauen“, heißt es im Wahlprogramm der Sozialdemokraten.
Ziel der Mission ist eine „klimafreundliche Mobilität für alle“. Auch wenn das Auto wichtig bleibt: „Aber der Schadstoffausstoß wird auf null reduziert sein“, heißt es. Durch viele Maßnahmen nähern sich Städte wie Göttingen diesen Zielen an. Köhler nennt weitere Punkte, die den Schadstoffausstoß in Südniedersachsen senken: Der Ausbau der Fernwärme, der Einsatz von E-Bussen im öffentlichen Personennahverkehr und das „BioWärmeZentrum“ würden zum guten Wert beitragen. „Göttingen ist mit seinen Parks, dem Wall und dem Stadtwald zudem ausgesprochen grün“, sagt Köhler. Zudem sei Göttingen eine Fahrradstadt – 28 Prozent der Einwohner seien regelmäßig auf dem Rad unterwegs, für viele ist der Drahtesel inzwischen sogar das primäre Verkehrsmittel.
Weitere Faktoren sorgen dafür, dass die Stickoxid-Belastung zurückgegangen ist: So sind bei den Göttinger Verkehrsbetrieben (GöVB) seit 2018 Elektrohybridbusse im Einsatz. Bis zum Jahr 2032 sollen mehr als 60 Prozent der Busse elektrisch fahren. Darüber hinaus soll der ÖPNV weitgehend Vorfahrt haben – inklusive dem elektronischen Ticketkauf. Hinzu kommen der Ausbau von Fahrrad-Schnellverbindungen, die Ertüchtigung von konventionellen Radwegen und die Umrüstung der Verkehrstechnik, wie der Einsatz von LEDs bei Ampeln.
Zunehmend per Rad durch Hannover
Nicht nur in Göttingen hat die Zukunft in Sachen Klimaschutz und Verkehrswende längst begonnen, sondern auch in der Region Hannover. Niedersachsens Landeshauptstadt und ihr Umland beteiligen sich seit dem Jahr 2002 an der Untersuchung „Mobilität in Deutschland“ des Bundesverkehrsministeriums. Darin zeigt sich: Die Menschen entlang der Leine legen immer mehr Wege per Fahrrad und mit dem ÖPNV zurück – ein Trend, wie er in ganz Deutschland zu verzeichnen ist.
Allerdings zeigen die Ergebnisse auch, dass es noch Luft nach oben gibt: Vor diesem Hintergrund baut die Region Hannover den ÖPNV massiv aus. So schafft die ÜSTRA Hannoversche Verkehrsbetriebe bis zum Jahr 2035 mehr als 100 zusätzliche Stadtbahnen an – was einem Plus von mehr als 30 Prozent entspricht. In diesem Sinne verspricht die Bundes-SPD ein ehrgeiziges Vorhaben: „Unser Ziel ist eine Mobilitätsgarantie: Jeder Bürger und jede Bürgerin – in der Stadt und auf dem Land – soll einen wohnortnahen Anschluss an den öffentlichen Verkehr haben.“
Schnellere Anbindung
Neue mehrgeschossige Park & Ride-Anlagen, der Kauf von mit grünem Wasserstoff angetriebenen Bussen, mehr S-Bahn-Fahrten, rund 10.000 zusätzliche Fahrradstellplätze für Pendler – die Region Hannover hat sich viel vorgenommen. Von Hannover ins Umland plant sie den Einsatz von schnellen Bussen. Auch von Hannover nach Bremen soll man flotter reisen können. „Im Zuge der neuen Ausschreibung ab 2024 soll der Halbstundentakt nach Bremen die Regel sein“, heißt es dazu