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Rathaus Verden: Der Schwarzbau von 1730

Das Verdener Rathaus steht im Herzen der Kreisstadt an der Aller. Es überlebte Umzugs- und Abrissdebatten – und einen Anschlag.
 

von Ulf Buschmann · 5. September 2024
Platz mit Steinplatten im Vordergrund und Rathaus im Hintergrund

Der Rathausplatz in Verden

Wenn Lutz Brockmann über die Geschichte seines Amtssitzes spricht, muss er schmunzeln. „Unser heutiges Baudenkmal ist ein Schwarzbau von 1730“, sagt der Bürgermeister der Stadt Verden an der Aller. Seit 1330 wurden die Geschicke der Stadt an gleicher Stelle von einem Fachwerkhaus aus gelenkt. Dies jedoch war so marode, dass es abgerissen werden musste. Da Verden schon im 18. Jahrhundert eine reiche Stadt war, beschloss der Rat einen Neubau – allerdings ohne Genehmigung der Obrigkeit des Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg, besser bekannt unter dem inoffiziellen Namen Kurfürstentum Hannover.

Das Fachwerkhaus, das dem neuen (Schwarz-)Bau weichen musste, hatte bereits 400 Jahre Stadtgeschichte auf dem Buckel. Denn schon 1330 wurde das Verdener Rathaus erstmals urkundlich erwähnt. Der Bürgermeister weist in diesem Zusammenhang gerne auf die Rechte als Freie Reichsstadt hin, welche die Stadt bis 1648 innehatte. Allerdings galt dies nur für die sogenannte Norderstadt. Die Süderstadt um den Dom gehörte zum Bistum und Hochstift Verden. Die Menschen in der Norder- und Süder­stadt waren sich laut Überlieferungen gar nicht grün. Erst die Schweden, die nach dem Dreißigjährigen Krieg in einem Teil von Norddeutschland das ­Sagen hatten, vereinigten 1667 beide Teilstädte.

Pläne für einen Neubau am Stadtrand wurden verworfen

Seitdem werden die Geschicke der ganzen Stadt vom Rathausplatz beziehungsweise von der offiziellen Adresse Große Straße aus gelenkt. Es ist Verdens Herz. Darauf legen Brockmann und der Rat großen Wert. Selbst als in den 1980er Jahren über eine Erweiterung diskutiert wurde und ein Neubau am Rande Verdens im Raum stand, überwog letztlich die Einsicht, dass das Rathaus ein Teil der Stadt und des Stadtbildes ist. Wer nämlich vom gegenüberliegenden Ufer der Aller auf Verden herüberblickt, sieht ­neben dem markanten Dom und der St. Johannes-Kirche den Turm des ­Rathauses.

Diesen bekam des Bürgermeisters Amtssitz allerdings erst im Zuge der Erweiterung von 1903 bis 1905. Hintergrund: Die Stadt wollte einen säkularen Gegenpol zu den zahlreichen Kirchtürmen bilden. „Aber Anfang der 70er Jahre wurde heftig in der Stadt diskutiert, ob der Turm im Stile des Historismus zur barocken Fassade passt, oder ob man nicht doch besser den damals baufälligen Turm abreißen sollte“, heißt es hierzu auf der Internetseite des Landkreises Verden. Auch hier zeigten die Verantwortlichen Weitblick: Der Turm des Rathauses wurde saniert und prägt das Bild der Stadt bis heute.

Ein Offenes Haus schon für die Kleinsten

Brockmann legt Wert darauf, dass die Stadt ein offenes, für jeden Menschen zugängliches Rathaus hat. Deshalb steht es für Vereine und Institutionen als Ort der Begegnung zur Verfügung. Neben Sitzungen der Ratsgremien und Informationsveranstaltungen finden Workshops zur Bürgerbeteiligung, Kunstausstellungen und vieles mehr im Verdener Rathaus statt. „Es ist der Anspruch, das Rathaus erlebbar zu machen“, sagt der Bürgermeister. In das Baudenkmal selbst kommen hingegen längst nicht mehr so viele Menschen wie einst, um ihre Angelegenheiten bei der Verwaltung zu regeln. Erstens, so Brockmann, sei die Digitalisierung der Verdener Verwaltung weit vorangeschritten und zweitens hätten die Abteilungen mit Publikumsverkehr ihren Sitz in dem Rathaus-Erweiterungsbau gegenüber an der Ritterstraße.

Wer da in dem Haus mit dem Turm sitzt, lernen in Verden sogar schon die Mädchen und Jungen der Kindertageseinrichtungen. Denn wer nach den großen Ferien eingeschult wird, darf das Rathaus besuchen. Seinen Besuchergruppen der Kleinen erklärt der Bürgermeister unter anderem den Ratssaal und was dort geschieht. „Das ist ein Stück Demokratievermittlung“, findet ­Brockmann. Und manch ein Kind ziehe die Verbindung zum Morgenkreis. Auch dort werde besprochen, was alle angeht.

Die Mädchen und Jungen lernen auch, dass im Rathaus ziemlich viele Erwachsene arbeiten – rund 120 Arbeitsplätze gibt es in der Verwaltung. 80 mussten nach einem Brandanschlag auf das Rathaus 2017, der auch bundesweit Schlagzeilen machte, für zwei Jahre umziehen. Damals war ein Mann mit seinem Auto in den Eingang an der Ritterstraße gefahren. Unter den ­Slogan „Vom Schaden zur Chance“ erfolgte eine zeitgemäße Wiederherstellung im Neubau. Schnell war klar, dass das Rathaus weiterhin ein offener Ort sein soll. Schließlich werde dort Demokratie vor Ort gelebt, meint Brockmann.
 

Autor*in
Ulf Buschmann

Ulf Buschmann ist freier Journalist in Bremen. Für die DEMOKRATISCHE GEMEINDE ist er seit 1998 als Autor tätig.

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