Kommunen in Nordrhein-Westfalen: Neue Lösung für alte Schulden?
Die schwarz-grüne Landesregierung in NRW startet einen zweiten Anlauf zur Altschuldenlösung. Was ist davon zu halten? Ein Gastbeitrag von Justus Moor, SPD-Landtagsabgeordneter.
Mirko Raatz
Justus Moor ist SPD-Landtagsabgeordneter in NRW.
Gut ein Jahr ist es her, da war der platte Versuch der schwarz-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen gescheitert, die kommunalen Altschulden unter den Städten, Gemeinden und Kreisen zu verteilen. Die Tilgung sollte also allein den Kommunen überlassen werden – ohne einen einzigen Cent eigenes Landesgeld. Die massive Ablehnung aller Kommunen, eine vernichtende Anhörung im Landtag und das Nein aus dem Bundesfinanzministerium sorgte für eine ordentliche Bruchlandung von Ministerpräsident Hendrik Wüst. Er zog seinen Plan zähneknirschend zurück.
Nun also der zweite Anlauf und diesmal sogar mit Landesmitteln. Denn für eine Beteiligung des Bundes bei der Schuldenübernahme ist das auch notwendige Bedingung. Konkret sollen für 30 Jahre jährlich 250 Millionen Euro, somit insgesamt 7,5 Milliarden Euro aus Landesmitteln für eine Lösung eingebracht werden. Man kann festhalten: Das ist erstmal ein substanzieller Fortschritt.
Details unklar
Doch wie die nun angekündigten Altschuldenlösung genau aussehen soll, das kann bisher keiner beantworten. Es liegen weder ein Konzept noch weitere Modalitäten vor. Auch die Landesregierung hat keinen Plan. Man wolle jetzt mit den Kommunen und dem Bund in Gespräche treten.
Es scheint, dass man erstmal mit einer Botschaft an die Öffentlichkeit gehen wollte. Auch der zeitliche Zusammenhang mit der Nachricht, dass der schwarz-grüne Landeshaushalt in sich zusammenfällt, wird wohl kein Zufall sein. Mit Details aufhalten, erst mit den Kommunen sprechen oder auf die Opposition zugehen, ist eh nicht die Stärke von Schwarz-Grün in Düsseldorf. Viel zu verlockend, ist die schnelle Pressemeldung.
(Ein anderes, handwerklich besseres Verfahren hat man vor Kurzem im Nachbarland Rheinland-Pfalz gewählt. Die dortige Lösung war in enger Abstimmung zwischen der Landesregierung von Malu Dreyer, kommunalen Spitzenverbänden und unter Einbindung der Opposition erarbeitet worden. Das kann man in Sachen partnerschaftlicher Lösung und handwerklicher Umsetzung schon als Vorbild bezeichnen.)
Erdrückende Altlasten
Dass es eine Lösung, für die gerade in NRW besondere Belastung der Kommunen mit Liquiditätskrediten geben muss, darüber besteht Einigkeit. Zu groß drücken die Altschulden und die Zinsen. Reden wir doch gut und gerne in NRW über ca. 21 Milliarden Euro. Die erdrückenden Altlasten, die Städte wie Oberhausen, Gelsenkirchen oder Hagen mit sich schleppen, stammen aus vielen Jahrzehnten Strukturwandel, Finanzkrisen, steigender Soziallasten und vor allem von immer mehr Aufgaben, die Bund und Land den Kommunen aufgeladen haben. Wohlgemerkt ohne die nötigen Finanzmittel für diese Aufgaben mitzugeben.
Schaut man sich also die Verursacher dieses Schuldenbergs an, so ist es nur folgerichtig, dass der Bund sich an der Lösung beteiligt. Den ersten Anlauf dazu hat Olaf Scholz, damals noch als Bundesfinanzminister, im Rahmen der Bewältigung der Corona-Krise unternommen. Der Bund würde die Hälfte beisteuern – so das Angebot, dass der damalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet liegen ließ. Ein großer Fehler, ist doch die Null-Zins-Phase als bester Zeitpunkt inzwischen vorbei. (Und zum Ärger nicht nur für die Kommunen in NRW, sondern ebenso für die im Saarland, in Hessen und Rheinland-Pfalz. Doch in den drei Ländern hatten wenigstens die Länder selbst schon gehandelt.)
SPD steht zu ihrer Zusage
Die SPD in Bund und in NRW hatten jederzeit sehr deutlich gemacht, dass ihre Unterstützung bei der Lösung der Altschuldenfrage steht. Das gilt auch erstmal für diesen zweiten Versuch von Schwarz und Grün. Um es jedoch einen „Altschuldenplan“ zu nennen, fehlen nicht nur Details und ein Einvernehmen mit den Kommunen, sondern eben auch das Ende der CDU/CSU-Blockade im Bund.
Denn bei der hälftigen Übernahme der Altschulden durch den Bund – wie es auch im Koalitionsvertrag der Ampel versprochen ist – wird es jetzt hakelig. Denn die größte Hürde ist eine notwendige Änderung des Grundgesetzes, die es für eine Beteiligung des Bundes braucht. Und dafür eben eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Bundesrat.
Und hier dröhnte bisher die Ablehnung unüberhörbar aus der CDU-Bundestagsfraktion und noch lauter aus der bayrischen CSU und von den Grünen aus Baden-Württemberg. Jetzt kommt es also drauf an: Die Bundesregierung müsste bald im Haushalt und per Gesetzentwurf ihre Beteiligung vorlegen. Dann wird Hendrik Wüst zeigen müssen, ob er die Kraft und den Willen hat, seine eigene Partei im Bund und seinen Freund Markus Söder in Bayern umzustimmen, um so ihre Blockade zu beenden.
Bisher sind in diese Richtung allerdings noch keine Aktivitäten von Wüst wahrzunehmen. Und so bleibt zu befürchten, dass es sich mehr um politische Show als politisches Handwerk handelt. Immerhin dabei bliebe er sich jedoch treu.
ist SPD-Abgeordneter im Landtag von Nordrhein-Westfalen. Er vertritt den Wahlkreis Hamm I. Arbeitsschwerpunkte sind Heimat und Kommunales
sowie Wissenschaft.