Airbnb und Co.: Wie digitale Plattformen die Stadtentwicklung beeinflussen
Sie prägen den Verkehr, Handel und Tourismus: Digitale Plattformen verändern unsere Städte. Jan Abt forscht dazu am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu). Im Interview erklärt er, welchen Einfluss Kommunen auf die Entwicklungen nehmen können.
Difu / Deutsches Institut für Urbanistik
Jan Abt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Difu und forscht unter anderem zu Digitalen Plattformen und integrierter Stadtentwicklung
Jan Abt ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter am Deutschen Institut für Urbanistik. Gemeinsam mit sechs weiteren Autor*innen hat er 2024 die Studie „Digitale Plattformen und integrierte Stadtentwicklung” erstellt. Sie untersuchte Wirkungsfelder und kommunale Handlungsmöglichkeiten.
DEMO: Das Difu und das Fraunhofer IESE haben in einer Studie untersucht, wie digitale Plattformen unsere Städte verändern. Wie tiefgreifend fällt dieser Wandel aus?
Jan Abt: Es ist ein umfassender Wandel, für den häufig der Begriff „Plattform-Urbanismus“ verwendet wird. Wir sehen die Mikro-Mobilität, Lieferdienste, Einkaufsportale – all das wird im digitalen Raum über Plattformen organisiert, aber die Wirkungen finden im Stadtraum statt. Zum Beispiel müssen sich die lokalen Händler*innen zunehmend umorientieren, die Art der Geschäfte verändert sich.
Buchungsplattformen wie Airbnb haben einen durchwachsenen Ruf. Hier werden Privatwohnungen an Feriengäste vermietet. Der Tourismus lässt sich dadurch schwieriger regulieren und das Geschäftsmodell kann den Wohnungsmangel für Einheimische vergrößern. Was können Städte dagegen tun?
Ja, unerwünschte Auswirkungen lassen sich durchaus beobachten und das führt dazu, dass in Deutschland Plattformen häufig pauschal negativ bewertet werden. Ich empfehle den Kommunen, differenziert an das Thema heranzugehen: Die Frage, die sich Kommunen stellen sollten ist: Wo unterstützt eine Plattform meine stadtentwicklungspolitischen Ziele? Wo wirkt sie dagegen? Grundsätzlich sind Plattformen in jeglicher Hinsicht wirksam. Das heißt, sie haben negative Auswirkungen, aber auch positive. Airbnb zum Beispiel wird für Verdrängung, Wohnraumentzug und Lärmfolgen viel kritisiert, fördert aber auch den Tourismus.
Jan Abt
Es hilft dem Klima, wenn die Leute von A nach B kommen, ohne ein eigenes Auto besitzen zu müssen.
Trotzdem bleibt die Frage: Wie können Städte die Entwicklung in ihrem Sinne lenken, etwa mit Blick auf Ferienwohnungen?
Wenn Abstimmungen und freiwilige Vereinbarungen mit den Plattformanbietern nicht greifen, sind Städte vereinzelt in der Lage, regulativ einzugreifen. Bei Airbnb passiert das etwa mit Registrierungspflichten oder Bestimmungen, wie viele Tage Wohnungen über Airbnb zur Verfügung gestellt werden können. Das ist allerdings ein Kraftakt, den Großstädte besser stemmen können als kleinere Kommunen. Deshalb ist es besser, wenn deutschlandweite oder europäische Regulierungsmöglichkeiten geschaffen werden – wie die EU-Regulierung zu Kurzzeitvermietungen, die Mitte nächsten Jahres in Kraft tritt.
Nehmen wir ein anderes Beispiel, die Mikromobilität. Wie können Kommunen steuernd eingreifen, wenn zu viele Fahrräder oder E-Scooter die Gehwege blockieren?
Auch da lohnt ein differenzierter Blick: Es hilft dem Klima, wenn die Leute von A nach B kommen, ohne ein eigenes Auto besitzen zu müssen – das ist ein wichtiges stadtentwickungspolitisches Ziel. Das Problem ist also nicht das plattformbasierte Mobilitätsangebot an sich, sondern die negativen Begleiterscheinungen des Geschäftsmodells – wie die Roller, die auf Gehwegen herumliegen. Es gibt rechtliche Möglichkeiten, dagegen vorzugehen.
Das Oberverwaltungsgericht NRW hat 2020 festgestellt, dass die Nutzung des öffentlichen Straßenraums in diesem Fall als überwiegend gewerbliche Nutzung anzusehen ist. Das ermöglicht den Kommunen, mit Sondernutzungsrechten zu arbeiten. Diese kann man mit inhaltlichen Kriterien verbinden. Zum Beispiel können Standorte festgelegt werden oder bestimmte Bereiche, über die sich ein Angebot erstrecken muss. Oder man verpflichtet die Anbieter, einen Beitrag zu den städtischen Mobilitäts-Klimazielen zu leisten und auch Daten zu liefern. Natürlich steht es einem Anbieter aber immer auch frei, unter den von der Kommune geforderten Rahmenbedingungen aktiv zu werden oder sich mit seinem Angebot aus der Stadt zurückziehen. Das sollte man auch im Auge behalten.
Im Stadtverkehr sind immer mehr kleine Lieferfahrzeuge unterwegs: weil Leute bei Amazon ein fehlendes Kabel bestellen, sich den Wocheneinkauf vom Fahrradboten bringen lassen oder sich das Essen lieber liefern lassen, statt zu kochen. Müssen wir unsere Verkehrswege an die neuen Anforderungen anpassen?
Die Städte sind bereits gebaut. Es geht also bei veränderten Mobilitätsbedürfnissen darum, den bestehenden Straßenraum neu zu verteilen. Das betrifft nicht nur neue Lieferdienste, sondern den gesamten Mobilitätswandel. Dabei ist es für die Umwelt zunächst gut, dass heute nicht mehr alles mit dem Lkw ausgeliefert wird, sondern Fahrräder und andere Kleinstfahrzeuge unterwegs sind – aber je mehr Fahrräder, auch grade breitere Lieferräder, im Einsatz sind, desto mehr Raum wird für den Radverkehr in den Straßen erforderlich.
Und ja, die Rathäuser müssen sich überlegen, wie sie den zunehmenden Lieferverkehr stadtverträglich gestalten können. Da experimentieren die Städte gerade. Sie können Parkzonen für Lieferfahrzeuge ausweisen. Es gibt auch Storage-Boxen, die Anbieter-unabhängig im öffentlichen Raum zur Verfügung stehen.
Jan Abt
Plattformen brauchen Zeit, um zu wachsen. Sie benötigen also einen langen Atem. Den haben die Kommunen oft nicht.
Welche guten Beispiele gibt es für digitale Plattformen? Gibt es gelungene Projekte, die von Kommunen selbst betrieben werden?
Digitale Plattformen können die soziale Vernetzung stärken. „Nebenan.de“ ist zum Beispiel ein Instrument, das zu neuen sozialen Kontakten im Quartier führen und die Nachbarschaftshilfe unterstützen kann. Eine Seite wie „WG-gesucht.de“ oder andere Wohnungstauschbörsen können dazu beitragen, dass der vorhandene Wohnraum besser ausgenutzt wird. Die Diskussion, ob Kommunen selbst solche Plattformen betreiben sollten, ist allerdings nicht ganz einfach.
Warum?
Wir haben uns Beispiele angeschaut und festgestellt, dass die von Kommunen betriebenen Softwarelösungen oder Plattformen voraussetzungsvoll sind. Einerseits braucht man eine technische Basis, die erst geschaffen und dann fortlaufend weiterentwickelt werden muss. Dann müssen Sie Marketing betreiben, um das Projekt und das Angebot bekannt zu machen. Das verschlingt viel Energie. Und anschließend muss die Kommune das langfristig durchhalten, denn Plattformen brauchen Zeit, um zu wachsen.
Sie benötigen also einen langen Atem. Den haben die Kommunen oft nicht. Kommunal betriebene Plattformen sind häufig im Rahmen von Förderungen entstanden, etwa mit Geldern des Bauministeriums oder des BBSR. Wenn eine solche Förderung ausläuft und bis dahin kein tragfähiges Betreiberkonzept entwickelt wurde, bleibt der langfristige Erfolg aus.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, wie Kommunen es besser machen könnten?
Eine Option ist es, auf White-Label-Lösungen zu setzen. Das heißt, ein externer Anbieter stellt die Plattform zur Verfügung und die Stadt muss nur noch ihre Farben und ihr Logo draufsetzen. Die Jelbi-Mobilitäts-App der BVG nutzt hier z.B. Trafi, die Bochumer Händergemeinschaft baut ihr Angebot auf Atalanda auf. Aber auch hier gilt es als Kommune genau zu überlegen, ob man die laufenden Kosten hierfür langfristig tragen will und kann.
Wenn eine Kommune sich trotz der vielen Hürden entscheidet, eine eigene Plattform zu entwerfen, es aber aus eigener Kraft nicht schafft – wo findet sie Hilfe?
Leider gibt es keine zentrale Beratungsstelle, wo man einfach mal anrufen kann. Wenn sich eine Kommune zu so einem eigenen Projekt entschließt, dann erfordert das eine eigene grundlegende Fachkompetenz und ein Verständnis für Softwareprojekte.
Gibt es Verbünde, wo Kommunen sich zusammenschließen, um gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen?
Wir vom Difu unterstützen Kommunen als Teil der Koordinierungs- und Transferstelle (KTS) der Modelprojekte Smart City (MPSC). Das MPSC-Programm ist eine Fördermaßnahme des BMWSB, steht aber allen nicht-geförderten Kommunen offen: In Entwicklungspartnerschaften unterstützen wir Kommunen dabei, gemeinsam Open-Source-Lösungen zu entwickeln, zu betreiben und sich auszutauschen. Da geht es zum Beispiel um gemeinsam entwickelte urbane Datenplattformen, City-Apps, Gesundheitsplattformen oder mit Biletado um ein Buchungsportal für die einfache Nutzungsvergabe für kommunale Turnhallen und Gemeindesäle. Hier entstehen Softwarelösungen von den Kommunen selbst. Über das Angebot können sich Kommunen unter www.smart-city-dialog.de informieren und mitwirken.
Welches Mindset empfehlen Sie Kommunen im Umgang mit digitalen Plattformen?
Sie sollten ideologiefrei mit dem Thema umgehen. Plattformen sind Marktakteure, die Geld verdienen wollen. Das muss man ihnen nicht verübeln – gleichzeitig hat auch die Kommune eigene Ziele für ihre Stadtentwicklung und die Frage ist, wie diese Interessen zusammenwirken können. Insbesondere bei kleineren Anbietern lohnt es sich häufig, wenn die Kommune das Gespräch sucht, sie einbindet und ihnen die eigenen Stadtentwicklungs-Ziele deutlich macht. Diese Kommunikation scheitert manchmal daran, dass Kommunen sich das nicht trauen oder zu viele Vorbehalte haben. Im gemeinsame Gespräch die Ziele von Kommune und Anbietern transparent zu machen, kann ein erster guter Schritt sein.
Mehr zum Thema:
Die Studie Digitale Plattformen und integrierte Stadtentwicklung steht auf der Internetseite des Difu zum Download zur Verfügung.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.