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Arbeitsverpflichtung für Asylbewerber: Was in Schwerin beschlossen wurde

Die Stadt Schwerin soll eine Arbeitspflicht für Asylsuchende und Bürgergeldbeziehende einführen. Das hat die Stadtvertretung beschlossen – gegen den Willen des Oberbürgermeisters. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Beschluss und den Rechtsgrundlagen.

von Carl-Friedrich Höck · 10. Januar 2025
Fassade Rathaus Schwerin

Blick auf das Rathaus Schwerin: Die Stadtvertretung hat eine Arbeitsverpflichtung für Asylbewerber*innen und Bürgergeldbeziehende beschlossen.

Was hat die Stadtvertretung von Schwerin beschlossen?

Die Stadtverwaltung soll für Asylbewerber*innen Arbeitsgelegenheiten schaffen, welche diese verpflichtend wahrnehmen müssen. Faktisch bedeutet das eine Arbeitspflicht. Wer die Tätigkeit verweigert, dem können Leistungen gekürzt werden. Für diese Leute solle es „nur noch Bett, Brot und Seife“ geben, wie ein Ratsmitglied der AfD sagte.

Auch für erwerbsfähige Bürgergeldbeziehende sollen Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden. Wobei „insbesondere anerkannte Asylbewerber“ gemeint sind, wie es im Beschluss der Stadtvertretung heißt.

Wer hat den Beschluss initiiert?

Die Initiative kam zunächst von der AfD-Fraktion. Sie stellte im März 2024 den Antrag, eine „Arbeitsverpflichtung für Asylbewerber“ einzuführen. Die CDU-Fraktion hat das Thema aufgegriffen und einen Ersetzungsantrag eingebracht. Mit diesem wurde das ursprüngliche Anliegen noch erweitert, indem die Arbeitspflicht auf anerkannte Asylbewerber*innen ausgeweitet wird, die Bürgergeld beziehen. Die Stadtvertretung hat dem CDU-Antrag am 9. Dezember 2024 mehrheitlich zugestimmt – gegen den Willen unter anderem der SPD, die den Oberbürgermeister stellt.

Wie werden Arbeitsgelegenheiten bezahlt?

Arbeitsgelegenheiten sind keine sozialversicherungspflichtigen Jobs, sondern gemeinnützige Tätigkeiten. Asylbewerber*innen erhalten dafür 80 Cent pro Stunde. Bürgergeldbeziehende bekommen etwas mehr, nämlich ein bis zwei Euro pro geleistete Arbeitsstunde.

Wo sollen die Geflüchteten arbeiten?

Bei der Stadt selbst und bei sozialen Trägern. Als mögliche Tätigkeitsfelder nennt die CDU in ihrem Antrag unter anderem öffentliche Einrichtungen, Vereine, Kindertagesstätten oder Schulen. Das Jobcenter soll mit den sozialen Trägern zusammenarbeiten und einen „Ideenpool“ entwickeln.

Auf welcher rechtlichen Grundlage soll das passieren?

Arbeitsgelegenheiten sind in § 5 des Asylbewerberleistungsgesetzes geregelt. Dort heißt es im ersten Absatz: „In Aufnahmeeinrichtungen (…) und in vergleichbaren Einrichtungen sollen Arbeitsgelegenheiten insbesondere zur Aufrechterhaltung und Betreibung der Einrichtung zur Verfügung gestellt werden (…). Im Übrigen sollen soweit wie möglich Arbeitsgelegenheiten bei staatlichen, bei kommunalen und bei gemeinnützigen Trägern zur Verfügung gestellt werden, wenn das Arbeitsergebnis der Allgemeinheit dient.“

Das Sozialgesetzbuch II, welches das Bürgergeld regelt, sieht ebenfalls Arbeitsgelegenheiten vor (§ 16d SGB II). Sie sind auch als „Ein-Euro-Jobs“ bekannt. Größere Bedeutung erlangten sie im Zuge der Hartz-IV-Reform.

Oberbürgermeister Rico Badenschier (SPD) wollte keine Arbeitspflicht. Warum?

Badenschier sprach gegenüber dem NDR von einer „Debatte, die an niedere Instinkte appelliert“. Die Argumentation, man müsse „die faulen Leute zwingen, arbeiten zu gehen“, führe an der Sache vorbei. Zudem seien die Arbeitsgelegenheiten „das unwirksamste Instrument der Arbeitsmarktintegration“.

Die Stadtverwaltung argumentierte auch mit den Kosten und Ressourcen, die von der Stadt und den Trägern eingesetzt werden müssen, um die Arbeitsgelegenheiten zu schaffen. „Am Ende steht wenig Output einem hohen Verwaltungs- und Betreuungsaufwand gegenüber“, heißt es in einer Stellungnahme zum CDU-Antrag. Die Träger und die Kommune müssten zum Beispiel Versicherungen, Material und Betreuung aus eigener Tasche finanzieren. Weiterer Aufwand entstehe durch die Arbeitsverpflichtung: Etwa weil die Zumutbarkeit der Arbeit geprüft, die Teilnahme dokumentiert und abgelehnte Arbeit sanktioniert werden müssten.

Gab es bisher auch schon „Arbeitsgelegenheiten“ in Schwerin?

Ja, allerdings auf freiwilliger Basis. In den Gemeinschaftsunterkünften der Stadt gibt es das laut Verwaltung schon „in den Bereichen Reinigung, Möbel tragen und reparieren und Mithilfe bei der Verpflegung“.

Gibt es andere Kommunen, die eine Arbeitspflicht beschlossen haben?

Ja. Die CDU beruft sich in ihrem Antrag auf den Saale-Orla-Kreis in Thüringen, wo die Arbeitspflicht für Asylbewerber*innen vor knapp einem Jahr eingeführt wurde. 110 Personen seien dort im Zeitraum Februar bis August 2024 zu Arbeitsleistungen herangezogen worden. Im Saale-Orla-Kreis ist seit Februar 2024 der CDU-Politiker Christian Herrgott als Landrat im Amt. Zuvor hatte sich Herrgott in der Stichwahl nur knapp gegen den AfD-Kandidaten Uwe Thrum durchgesetzt.

Steht die „Brandmauer“ der CDU zur AfD noch?

In Schwerin offensichtlich nicht – auch wenn es kein formales Bündnis zwischen beiden Parteien gibt. So hat die CDU in der Sitzung der Stadtvertretung am 9. Dezember ihre Mehrheit mit der AfD genutzt, um gleich eine ganze Reihe von Projekten der Stadt zu kippen: Der Haushalt 2025/25 wurde abgelehnt, den Satzungsentwurf für einen Beirat für Migration und Integration hat die Stadtvertretung blockiert. Zudem wurde die Stadt aufgefordert, die Pläne zur Schaffung einer zweiten Gemeinschaftsunterkunft in Schwerin auszusetzen. (Nachzulesen im Protokoll der Sitzung.) CDU-Fraktionschef Gert Rudolf erklärte laut Medienberichten, man wolle bei den Anträgen keine Rücksicht mehr darauf nehmen, ob „die Verkehrten“ zustimmen.

Wie geht es in Schwerin jetzt weiter?

In dieser Woche hat die Stadtverwaltung noch einmal klargestellt, dass Bürgergeldempfänger*innen in Schwerin keinesfalls „ab sofort“ zur Arbeit verpflichtet würden. Stattdessen solle in den kommenden Monaten in Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur und dem gemeinsam betriebenen Jobcenter ein Konzept ausgearbeitet werden. Es seien „bislang keine verbindlichen Entscheidungen über eine flächendeckende Arbeitsverpflichtung getroffen“ worden, heißt es in dem Statement.

 

Weiterführende Informationen:
Alle Dokumente zur beschlossenen Arbeitspflicht sind im Protokoll der Stadtvertretung (9.12.2024) unter Punkt Ö10 zu finden. Ein Video der Sitzung ist auf Youtube veröffentlicht (Ö10 wird ab Stunde 3:02 behandelt).

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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