Aktuelles

Baugesetzbuch-Novelle: In der Koalition herrscht Gesprächsbedarf

Erstmals war die Baugesetzbuch-Novelle Thema im Bundestag. Dabei zeigte sich: Einigkeit herrscht zwischen SPD, Grünen und FDP noch nicht. Ein Redebeitrag kann schon jetzt als historisch bezeichnet werden.

von Carl-Friedrich Höck · 11. Oktober 2024
Heike Heubach gestikuliert am Rednerpult des Deutschen Bundestages

Heike Heubach (SPD) hielt als erste Abgeordnete im Deutschen Bundestag eine Rede in Gebärdensprache.

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) will das Baugesetzbuch reformieren. Aus welchen Gründen, erklärte ihre Parlamentarische Staatssekretärin Elisabeth Kaiser am Donnerstag im Bundestag: „Das Bauen in Deutschland muss einfacher und schneller werden.“ Die Regierung wolle Wohnraum schaffen, Mieter*innen besser schützen und den Klimaschutz beziehungsweise die Klimaanpassung stärken.

Um das zu erreichen, hat die Bundesregierung ein Gesetz „zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung“ vorgelegt. Damit sollen Kommunen mehr Spielräume erhalten, um von Bebauungsplan-Vorgaben abzuweichen, Städte nachzuverdichten oder bestehende Gebäude aufzustocken. Die Aufstellung von Bebauungsplänen soll beschleunigt werden durch einfachere Verfahren und kürzere Fristen. Außerdem sollen Kommunen bei Baugenehmigungen anordnen können, dass auf einem Grundstück dezentrale Versickerungsanlagen oder ein Gründach entstehen. Mit den neuen Regularien will die Bundesregierung die Städte und Gemeinden dabei unterstützen, sich auf den Klimawandel vorzubereiten. Eine Regelung, die Mietwohnungen vor der Umwandlung in Eigentumswohnungen schützt, will die Regierung um zwei Jahre verlängern. (Mehr zum Inhalt der Novelle lesen Sie hier.)

Grüne sind skeptisch

Dass die Opposition in der ersten Lesung im Bundestag den Entwurf kritisierte, gehört zum parlamentarischen Geschäft. Ungewöhnlich war, dass die Kritik auch aus den eigenen Reihen der Koalition kam – insbesondere von den Grünen. Christina-Johanne Schröder von den Grünen sprach von einem „Spekulationsturbo“, dem ihre Fraktion nicht zustimmen werde, „bis die Mietrechtsreform kommt, wie wir sie im Koalitionsvertrag vereinbart haben“. 

Ihre Fraktionskollegin Anja Liebert warnte vor „Großsiedlungen auf der grünen Wiese ohne großflächige Planungen und Infrastrukturen“. Das sei nach dem geplanten Paragrafen 246e möglich. Mit diesem werden befristete Sonderregelung für den Wohnungsbau in Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmärkten geschaffen. Sie sollen bis Ende 2027 gelten, und zwar für Neubauten mit mindestens sechs Wohnungen, die Erweiterung oder Erneuerung bestehender Wohngebäude sowie die Umnutzung von anderen Gebäuden zu Wohnzwecken. Für diese Zwecke soll eine Gemeinde von Vorschriften des Baugesetzbuches abweichen können.

Keine Neuregelung des Vorkaufsrechts

Ebenfalls kritisiert wurde, dass das kommunale Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten nicht wiederhergestellt wird, um Mieter*innen vor Spekulation zu schützen. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hatte die bisherige Praxis im Jahr 2021 für rechtswidrig erklärt. Auch Bundesbauministerin Geywitz sowie der Deutsche Städtetag setzen sich für eine Neuregelung ein, die aber vom FDP-geführten Justizministerium bisher erfolgreich blockiert wird.

Positiver als die Grünen bewertete der FDP-Abgeordnete Daniel Föst den Gesetzentwurf. „Wir müssen uns aus der Wohnungskrise herausbauen, und zwar schneller, günstiger und mehr“, sagte er. Gerne hätte er noch weitergehende Regelungen gehabt. Die Bedenken der Grünen wegen des Paragrafen 246e wies er zurück. Dieser solle es Kommunen ermöglichen, in angespannten Wohnungsmärkten „in erforderlichem Umfang von gewissen Regeln des Baugesetzbuches abzuweichen.“ Er verstehe das Misstrauen gegenüber den Kommunen nicht, so Föst. Es sei deren Entscheidung, ob der Paragraf angewandt wird oder nicht. „Die Kommune hat ein Vetorecht.“

Erste Rede in Gebärdensprache

Kurz darauf wurde es historisch. Die SPD-Politikerin Heike Heubach trat ans Pult und hielt die erste Rede einer gehörlosen Abgeordneten in der Geschichte des Bundestages. Ihr in Gebärdensprache vorgetragener Beitrag wurde von zwei Mitarbeiterinnen simultan übersetzt. (Mehr dazu auf vorwaerts.de.) „Wir müssen unser Möglichstes tun, um die Folgen von Klimawandel und Extremwetterereignissen abzufedern“, forderte sie und warb für Schwammstadt-Konzepte, mit denen mehr Wasser im Boden versickern kann. „Wir schaffen entsiegelte Flächen und die Begrünung von Gebäuden – das kühlt die Umgebung.“ Flächen könnten leichter mehrfach genutzt werden. „So wird der Sportplatz zeitgleich eine Überflutungsfläche.“ Das werde der neue Grundsatz der städtebaulichen Planung.

 

Weiterführende Informationen:
bundestag.de

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare