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„Es ist wirklich ernst“: Städte senden Hilferuf an Bund und Länder

Die Finanzlage der Kommunen hat sich massiv verschlechtert. Laut einer Umfrage des Deutschen Städtetages hat kaum noch eine Stadt einen ausgeglichenen Haushalt. Der Verband fordert eine Trendwende und stellt fünf Forderungen.

von Carl-Friedrich Höck · 17. Februar 2025
Burkhard Jung gestikuliert

Rief die nächste Bundesregierung zum Handeln auf: Burkhard Jung, Oberbürgermeister von Leipzig und Vizepräsident des Deutschen Städtetages, während der Pressekonferenz am 17. Februar 2025

Mit einem Auftritt in der Bundespressekonferenz haben die Spitzen des Deutschen Städtetages Alarm geschlagen. Grund ist die finanzielle Not vieler Kommunen. Man müsse „auf eine sehr dramatische Lage hinweisen“, erklärte Städtetags-Präsident Markus Lewe. Sein Vize Burkhard Jung räumte ein, dass sein Verband oft im Verdacht stehe, nach Geld zu rufen – und warnte zugleich davor, die Situation zu unterschätzen. „Diesmal ist es wirklich ernst“, stellte er klar.

Umfrage zeigt finanzielle Schieflage auf

Der Deutsche Städtetag hat eine Blitzumfrage unter seinen Mitgliedern durchgeführt. 100 Städte haben sich beteiligt. 95 Prozent davon schätzen ihre Haushaltslage in den kommenden fünf Jahren als „eher schlecht“ oder „sehr schlecht“ ein. Einen ausgeglichenen Haushalt (ohne Zugriff auf Rücklagen) schafften im vergangenen Jahr nur 21 Prozent der Städte. In diesem Jahr werden es laut der Umfrage voraussichtlich nur sechs Prozent sein.

Burkhard Jung verwies darauf, dass auch vermeintlich wohlhabende Kommunen von Geldsorgen betroffen seien. Die Stadt München habe eine Investitionssperre über eine Milliarde Euro verhängt und Heidelberg stehe vor riesigen Einsparungen. „Der Sparzwang hat handfeste Konsequenzen“, betonte Jung, der selbst Oberbürgermeister von Leipzig ist. Viele Städte hätten Pläne vorgelegt, um Personal abzubauen, obwohl die Kommunen immer mehr Aufgaben erledigen müssten. Bus- und Bahnlinien würden gestrichen, statt neue zu schaffen.

Was der Städtetag vorschlägt

Als Reaktion auf die Entwicklung richtete Städtetags-Präsident Lewe fünf Forderungen an Bund und Länder:

  • Die Städte wollen einen höheren Anteil an den Gemeinschaftssteuern, zum Beispiel der Umsatzsteuer. „Bei den Kommunen liegt etwa ein Viertel der gesamtstaatlichen Aufgaben, sie haben aber nur ein Siebtel der Steuereinnahmen. Das passt nicht zusammen“, so Lewe.
  • Bund und Länder sollen keine zusätzlichen Aufgaben mehr an die Städte übertragen, die nicht ausreichend finanziert werden.
  • Es dürfe von Bund und Ländern keine steuerpolitischen Entscheidungen geben, die zu Einnahmeausfällen bei den Kommunen führen. Andernfalls müssten die Ausfälle zu 100 Prozent ausgeglichen werden.
  • Lewe forderte „feste Budgets, über die die Städte frei verfügen können“ anstelle von gigantischen Förderprogrammen. Denn diese in Anspruch zu nehmen, koste die Städte Zeit und Geld.
  • Die Schuldenbremse müsse auf den Prüfstand gestellt werden. Wenn sie Investitionen in die Zukunft verhindere, müsse sie reformiert werden.

Der Bund müsse dringend für eine Trendwende bei den Kommunalfinanzen sorgen, sagte Lewe. Darüber hinaus forderte er Bund und Länder auf, die Expertise der Kommunen stärker einzubeziehen, wenn sie neue Maßnahmen planen. Als Beispiel nannte er die Freigabe von Cannabis und die damit verbundenen Schutzzonen um Kitas oder Schulen. Keine Behörde sei in der Lage, das zu kontrollieren. 

Gestiegene Sozialausgaben

Bonns Oberbürgermeisterin Katja Dörner, ebenfalls Vizepräsidentin des Städtetages, verwies auf stark gestiegene Sozialausgaben. Als Beispiele nannte sie die ganztätige Kinderbetreuung, die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung oder die Hilfen zur Pflege im Alter. In allen drei Bereichen seien die Kosten seit dem Jahr 2013 um mindestens ein Drittel gestiegen. Bei der Kinder- und Jugendhilfe hätten sie sich sogar verdoppelt: innerhalb von zehn Jahren von 32,8 auf 67,6 Milliarden Euro. „Diese Steigerungen bringen unsere städtischen Haushalte komplett an ihre Grenzen.“ 

Besorgt

Katja Dörner, Burkhard Jung, Tim Szent-Ivanyi (Bundespressekonferenz) und Markus Lewe im Gespräch: Die Städtetags-Spitzen richteten einen dringlichen Appell an die Länder und die kommende Bundesregierung, etwas zur Stabilisierung der Kommunalfinanzen zu unternehmen.

Vier Menschen im Gespräch

Dörner betonte, dass es notwendig und richtig sei, diese Aufgaben zu erbringen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Bildungschancen von Kindern zu verbessern. „Aber diese Aufgaben müssen dann auch adäquat gesamtgesellschaftlich finanziert werden.“

Kommunen planen Sparmaßnahmen

Weil den Kommunen das Geld ausgeht, sind nun Einsparmaßnahmen zu erwarten. „Das werden die Bürgerinnen und Bürger merken“, kommentierte Burkhard Jung. Überall würden Mittel eingefroren oder gekürzt, ob bei Kulturangeboten, Schwimmbädern oder Schulen. Dörner ergänzte: Der Spardruck sei dort besonders stark, wo Leistungen von den Kommunen nicht als Pflichtaufgaben erbracht werden müssen. Das betreffe etwa Sport und Kultur, „also Bereiche, die eine Stadtgesellschaft zusammenhalten“. Auch Klimaschutz und Klimaanpassung seien keine Pflichtaufgaben.

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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