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Freiheits- und Einheitsdenkmal: Leipzig verkündet Sieger

Die Würfel sind gefallen: Der gemeinsame Entwurf „Banner, Fahnen, Transparente“ von einer Leipziger Architektenfirma und Künstlern gewinnt den künstlerischen Wettbewerb für das Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig. 

von Karin Billanitsch · 2. Oktober 2024
Leipzig Einheitsdenkmal

Der mit den 1. Platz ausgezeichnete Entwurf im künstlerischen Wettbewerb für das Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig. 

Dünne Metallplatten, luftig und locker angeordnet, auf fast fragil wirkenden Stahlrohren montiert, weiß lackiert: Am Dienstag wurden die Bilder des Siegerentwurfs für das Freiheits- und Einheitsdenkmal öffentlich vorgestellt. Es war ein langer Weg bis zu diesem Tag. „Ein wirklich großer Moment“ ist es für die Bürgerrechtlerin Gesine Oltmans, Vorständin der der Stiftung Friedliche Revolution. Im Auftrag der Stadt hat die Stiftung 2021 begonnen, den öffentlichen Beteiligungsprozess hin zu einem Denkmal zu moderieren und zu begleiten, nachdem der Prozess im ersten Anlauf 2014 gescheitert war.

Jury: Kraftvoller und inspirierender Ort“

Schon in drei Jahren, so die Vision, wird man dem 50-teiligen Denkmal in einem Park am heute noch unwirtlichen Wilhelm-Leuschner-Platz im Zentrum begegnen können. Die Objekte werden über den Platz verteilt als in den Boden gesteckte Banner, Fahnen und Transparente, wie der Name sagt. In der Begründung der Jury heißt es: „Insgesamt ist der Entwurf ein hervorragender Beitrag zum Wettbewerb, der vom Preisgericht für sein schlüssiges Gesamtkonzept ausgezeichnet wird, das dauerhaft einen kraftvollen und inspirierenden Ort für die würdevolle Auseinandersetzung mit Kernfragen der Demokratie schafft.“

Burkhard Jung, Oberbürgermeister von Leipzig, blickte während der Präsentation zurück: „Es war eine gute Entscheidung, den Prozess in zivilgesellschaftliche Hände zu legen und zu sagen, die Bewegung muss weiter gehen, aus der Bürgerschaft heraus.“ Der OB erinnert sich auch: „Als in Berlin über ein Denkmal für die Einheit diskutiert wurde, haben wir in Leipzig gerufen: Vor der Einheit kam die Freiheit." So habe der Bundestag ein Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin und in Leipzig beschlossen. 

Denkmal soll über Leipzig hinaus weisen

Das Leipziger Stadtoberhaupt betont, dass das Denkmal für alle Menschen stehen soll, die 1989 auf die Straßen gegangen sind, nicht nur in Leipzig. „Es soll über Leipzig und die Region, über Ostdeutschland hinausweisen nach Deutschland und Europa und ja, in die Welt. Wir haben einen Entwurf gefunden, der wirklich für die Macht der Straße steht“, zeigte sich Jung überzeugt. Er stehe für Menschen, die ihr Schicksal in die Hand nehmen und Veränderungen einleiten. 

Der Oberbürgermeister betonte aber auch die Aktualität des Siegerentwurfs in einem Jahr, in dem der 75. Geburtstag des Grundgesetzes gefeiert wird und sich der Jahrestag der Friedlichen Revolution zum 35. Mal jährt: „Und gleichzeitig weist er weit darüber hinaus in die Zukunft. Wenn wir jetzt erleben, wie unser Land zerrissen wird in dieser polarisierten Situation, wie rechtsaußen zugenommen hat, die Demokratie angegriffen wird, wie Skepsis da ist, kann man sagen: Die friedliche Revolution muss weitergehen. Nicht um das System zu verändern, sondern um die Demokratie zu stabilisieren.“

Offen und interdisziplinär

Die ausgewählten Entwürfe werden vom 9. Oktober an in der Universität Leipzig öffentlich ausgestellt. Sie sind das Ergebnis eines intensiven Prozesses, den Benjamin Hassel vom Wettbewerbsbüro phase 1 koordiniert hat. Nach einem offenen Aufruf hatten sich 78 Bewerber*innen aus aller Welt gemeldet. Zwei Tage brütete die Jury über 36 Entwürfen. 

Der Vorsitzende der Jury, Kjetil Thorsen aus Norwegen, zeigte sich nachhaltig beeindruckt: „Die interdisziplinäre Kultur erlaubte eine Atmosphäre des Miteinanders, die mich begeistert hat. Sie war die Grundlage für konstruktive Gespräche mit einem eindeutigen Beschluss.“ Der weltweit renommierte Architekt, der unter anderem den Museumskomplex am Ground Zero in New York plante, erwartet, dass der Entwurf „im globalen Kontext einen Maßstab“ setzen werde. 

Sieger kommen aus Leipzig

Den 1. Preis ging an die Architektenfirma ZILA aus Leipzig: die Architekten Clemens Zirkelbach, Peter Ille, Dirk Lämmel, Alexej Kolyschkow sowie an den Künstler und Architekten Michael Grzesiak und die Künstlerin Bea Meyer. Das Team wurde erst am Vorabend informiert. Grzesiak sagte: „Wir waren persönlich, inhaltlich und professionell sehr nah am Thema, es hat uns sehr berührt und Energie, Zuversicht und Hoffnung gegeben.“

Sichtbar bewegt fuhr Grzesiak fort, die Friedliche Revolution greife auf eine friedliche Macht zurück. „Darum ging es uns, etwas zu finden, das diese friedliche Macht in einer Form aufgreift und wir die Hoffnung haben, dass die Gewaltlosigkeit einen Widerhall findet und lebendig bleibt.“ Geschichte schreite aber auch gnadenlos voran und es würden Entscheidungen gefällt. „Wir haben das in unserem Narrativ der Streuung versucht zu greifen, dass viele Dinge, die im Nachhinein als chronologisch erscheinen, doch auch eine Verkettung von Zufällen und Gegebenheiten sind.

Burkhard Jung hat selbst erst kurzfristig die Namen des Siegerteams erfahren, da es ein anonym ausgeschriebener Wettbewerb war: „Als ich den Umschlag geöffnet habe, hat mein Herz gehüpft, weil ein Leipziger gewonnen hat“, bekannte der langjährige Oberbürgermeister. Er hofft darauf, dass schon in einem Jahr die ersten Teilstücke zu sehen sein werden. „Das Denkmal wird mit dem Park, in den Park hinein wachsen“, hofft er. Für die Umsetzung sind laut Angaben der Stadt fünf Millionen Euro eingeplant, 2,5 Millionen davon stammen laut MDR vom Bund. 

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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