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Rechtsanspruch auf Ganztag in Grundschulen: Warum NRW-Städte klagen

15. Dezember 2025 15:51:31

Mehrere Städte wollen gegen das Land Nordrhein-Westfalen Klagen erheben. Das Land hat es bisher versäumt, den Rechtsanspruch auf Ganztag an Grundschulen per Gesetz als neue Aufgabe an die Kommunen zu übertragen. 

Grundschule in Düsseldorf

Blick in den Raum einer Grundschulklasse in Düsseldorf. Der Bund hat einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in den Grundschulen im Sozialgesetzbuch festgeschrieben. 

Mehrere NRW-Städte werden bei den Verwaltungsgerichten im Land zum Rechtsanspruch auf Ganztag an Grundschulen klagen. Das teilte der Städtetag Nordrhein-Westfalen in einer Mitteilung mit und betonte: „Der Städtetag Nordrhein-Westfalen unterstützt diese Feststellungsklagen.“ 

Nach Ansicht der Städte sei der individuelle Anspruch auf einen Ganztagsplatz, der mit dem Rechtsanspruch geschaffen wurde, bisher nicht wirksam durch das Land auf die Kommunen übertragen worden. Damit sei auch die Finanzierung unklar und die Städte könnten nicht langfristig planen, heißt es. Zu den klagenden Städten gehören unter anderem die Städte Hamm, Düsseldorf und Krefeld. Ab 2026 wird ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter schrittweise eingeführt.

Marc Herter: Klarheit bei der Finanzierung nötig

Oberbürgermeister Marc Herter aus Hamm, zugleich Vorsitzender des Städtetags NRW, bekannte sich zum Ganztag: „Wir Kommunen werden alles uns Mögliche tun, um den Rechtsanspruch ab dem kommenden Schuljahr zu erfüllen. Eltern und Kinder brauchen Verlässlichkeit.“ Dazu müsse aber auch das Land seinen Beitrag leisten. Es drücke sich aber davor, gesetzlich klar zu regeln, wer eigentlich für den Rechtsanspruch auf Ganztag zuständig ist. 

Daran hänge natürlich auch die Finanzierung, so Herter. „Für die Städte ist das ein echtes Problem, denn sie stecken ohnehin in einer katastrophalen Finanzlage. Deshalb brauchen wir bei einem so wichtigen Zukunftsthema endlich rechtliche Klarheit, die auch eine Klarheit bei der Finanzierung mit sich bringt“, forderte der Hammer OB. 

Ausführungsgesetz gefordert

Der Rechtsanspruch auf den Ganztag steht im Sozialgesetzbuch. Weil der Bund aber den selbst unmittelbar keine Aufgaben an die Kommunen übertragen darf, müssen die Länder diese neue Aufgabe auf die Kommunen übertragen. Dafür bedürfte es eines Ausführungsgesetzes, argumentieren die Städte. Darin müsse auch die Finanzierung eindeutig geregelt werden. Herter sprich von einer „rechtlichen Grauzone“. Solange das Land sich wegducke, solange sei auch die verlässliche Finanzierung nicht geklärt. „Angesichts der katastrophalen Finanzsituation der Städte in NRW, kann das nicht so weitergehen", betont Herter. Offenbar plant das Land die Umsetzung ausschließlich über einen gemeinsamen Erlass der Ministerien, informierte der Verband Bildung und Erziehung (VBE) NRW.

Auch Stephan Keller, Oberbürgermeister in Düsseldorf warnt: „Der Gesetzgeber muss endlich die Verantwortung für die Finanzierung der durch ihn verursachten Mehraufwände übernehmen. Wer bestellt, bezahlt!“ Doch beim Ganztag werde nicht einmal geteilt – von einer fairen Lastenverteilung könne keine Rede sein.

Frank Meyer: „Auskömmliche Finanzierung der Betriebkosten“

Frank Meyer, Oberbürgermeister von Krefeld geht sogar einen Schritt weiter: "Der Ganztag in NRW ist schon heute unterfinanziert, denn die Mittel vom Land passen sich nicht an die tatsächlichen Kostensteigerungen an.“ Deshalb forderte er unabhängig vom Rechtsanpruch dringend eine auskömmliche Finanzierung der Betriebskosten durch das Land. 

Stefan Behlau, Landesvorsitzender des VBE NRW, lenkte außerdem den Blick auf einen aus seiner Sicht weiteren wichtigen Punkt: „Entscheidend ist die Qualität im Ganztag. Ganztag darf eben nicht nur ein Ort der Betreuung sein, sondern muss ein verlässlicher Bildungs- und Entwicklungsraum sein, in dem sich Kinder, Jugendliche und das schulische Personal wohlfühlen und gute Bedingungen vorfinden.“ Mit Blick auf das fehlende Ausführungsgesetz sagte er dies sei „eine verpasste Chance“. Es fehlten verbindliche Qualitätsstandards und ein klarer Plan, wie Ganztagsbildung in den nächsten Jahren aussehen solle.

Der Städtetag NRW geht davon aus, dass im Land aufgrund der Einführung des Rechtsanspruchs in den kommenden Jahren voraussichtlich rund 150.000 zusätzliche Ganztagsplätze benötigt werden. Bereits 2025 werden 480.500 Kinder mit Ganztagsangeboten gefördert.

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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