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Wie Kommunen die Ganztagsbetreuung an Schulen ausbauen

Ab 2026 soll ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter gelten. Viel Zeit bleibt den Kommunen nicht mehr, um ihre Angebote zu erweitern. Doch dies ist gar nicht ihr größtes Problem.

von Carl-Friedrich Höck · 22. April 2025
Schulbibliothek mit gemütlichen Sitzgelegenheiten

Bibliothek der Pferdebachschule in Witten: Ganztagsschulen brauchen geeignete Räume, in denen Kinder ihre Freizeit gestalten können. 

Seit Jahren warnt der Deutsche Städte- und Gemeindebund davor, dass der kommende Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter die Kommunen überfordern könnte. Grundsätzlich unterstützt der Verband das Ziel, eine Ganztagsbetreuung anzubieten. Doch „es wird lange dauern, bis das in Deutschland flächendeckend funktioniert“, prophezeite der damalige DStGB-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg im Januar 2023. Es fehle an Flächen und Erzieher*innen. Zwei Jahre später erklärte der Verband in seinem Jahresausblick für 2025: Die Fristen, um die Finanzhilfen des Bundes abzurufen und damit Ausbaumaßnahmen umzusetzen, seien „diskussionswürdig“ und müssten um mindestens zwei Jahre verlängert werden.

Rechtsanspruch auf Ganztag ab 2026

Hintergrund: Ab August 2026 wird der Rechtsanspruch schrittweise eingeführt. Zunächst soll er für Kinder der ersten Klassenstufe gelten und in den folgenden drei Jahren jeweils um eine Klassenstufe erweitert werden. Derzeit werde etwas mehr als die Hälfte der Kinder im Grundschulalter ganztätig betreut, informiert die Internetseite des Bundesfamilienministeriums. Der Bund unterstütze die Länder und Kommunen mit 3,5 Milliarden Euro bei den nötigen Um- und Neubauten (im Zeitraum 2020–2027) und werde sich ab 2026 auch an den Betriebskosten für die Ganztagsschulen beteiligen.

Der zwischen CDU, CSU und SPD ausgehandelte Koalitionsvertrag ändert daran wenig. „Wir halten am Ausbauziel für die Ganztagsbetreuung in der Grundschule fest“, bekräftigen die voraussichtlichen Koalitionspartner. Sie wollen den Kommunen allerdings mehr Gestaltungsspielräume bei der Umsetzung eröffnen. Konkret heißt es im Vertragsentwurf: „Angebote der anerkannten freien Träger der Jugendarbeit sollen zur Erfüllung des Rechtsanspruchs herangezogen werden können und in ihrer Rolle gestärkt werden. Wir verlängern das laufende Investitionsprogramm um zwei Jahre und erhöhen die Investitionsmittel für den Ganztag.“

Kommunen treiben Ganztagsausbau voran

Für die Kommunen sind die Herausforderungen groß. Allerdings haben sie beim Ausbau der Betreuungsangebote schon große Fortschritte erzielt. Das bestätigt auch eine stichprobenartige Befragung durch die DEMO-Redaktion. So teilt die Hansestadt Wismar (Mecklenburg-Vorpommern) mit: An jeder Grundschule in der Stadt sei die Hortbetreuung bereits jetzt gewährleistet.

Auch im bayerischen Fürth steht das Thema Ganztagsausbau seit langem auf der Agenda. An allen Grundschulen existierten Angebote der Ganztagsschule, antwortet der 2. Bürgermeister Markus Braun auf Anfrage. Daneben gebe es Hortbetreuungsangebote, sodass rund 70 Prozent aller Grundschulkinder versorgt werden könnten. Einige Schul- und Hortstandorte müssten aber erweitert werden, um die angepeilte Versorgung von mehr als 90 Prozent der Grundschulkinder erreichen zu können. Zum Beispiel verfügten viele Schulen nicht über ausreichend große Mensen oder Speiseräume für das Mittagessen. Damit die Kinder genügend Platz zum Spielen, Entspannen und Toben bekommen, müssten Klassenzimmer multifunktional ausgestattet werden. Teilweise müssten die Schulen auch baulich erweitert werden. Der Stadtrat habe beschlossen, vier Grundschulstandorte in den kommenden Jahren aus- und umzubauen, berichtet Braun.

„Das Problem vieler Kommunen in Bayern ist zum einen, dass sehr spät klar war, was wie hoch gefördert wird“, kritisiert der SPD-Politiker. Zum anderen seien wichtige Stellen im Baureferat nur unzureichend und schwer zu besetzen. Somit stünden nicht ausreichend Architekt*innen, Planer*innen sowie Techniker*innen zur Verfügung. Auch die Finanzierung des Ganztagsausbaus sei herausfordernd, weil trotz Fördergeldern enorme Kosten bei der Kommune verblieben.

Kommunen bleiben auf Kosten sitzen

Das kritisiert auch die Stadt Dortmund (Nordrhein-Westfalen). Trotz der „Förderrichtlinie Ganztagsausbau“ des Bundes reichten die bereitgestellten Mittel bei Weitem nicht aus, um sämtliche notwendigen baulichen Maßnahmen vollständig zu finanzieren, teilt die Pressestelle mit. In Dortmund gebe es heute bereits an allen städtischen Schulen mit Primarstufe ein Ganztagsangebot. Welche Standorte baulich erweitert werden müssten, prüfe derzeit eine verwaltungsübergreifende Arbeitsgruppe.

Den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung zeitlich nach hinten zu verschieben, würde aus Sicht der Stadt Dortmund die bestehenden Probleme nicht lösen. „Hilfreich wären hingegen eine auskömmliche Finanzierung und eine bundesweite Strategie, beispielsweise mit Blick auf die Gewinnung und Qualifizierung der erforderlichen Fachkräfte“, erklärt die Pressestelle.

Bedarf an Betreuungsplätzen nicht gedeckt

Dass sich deutschlandweit in den vergangenen beiden Jahrzehnten viel getan hat, zeigt ein Blick in die Statistiken. Laut einem „Faktenblatt“ des DStGB gab es im Jahr 2006 nur 579.000 Grundschulkinder, die Hort- oder schulische Ganztagsangebote genutzt haben. Im Jahr 2023 war ihre Zahl bereits auf 1,8 Millionen gestiegen. Damit besuchen rund 56 Prozent aller sechseinhalb- bis zehneinhalbjährigen Kinder eine Ganztagsschule oder eine Tageseinrichtung. Der Bedarf der Eltern sei jedoch insbesondere in westdeutschen Bundesländern damit nicht gedeckt, warnt der DStGB.

Das Deutsche Jugend-Institut (DJI) hat für seinen Kinderbetreuungsreport 2023 eine repräsentative Elternbefragung durchgeführt. Drei von vier Eltern wünschten sich demnach für ihr Grundschulkind ein Bildungs- und Betreuungsangebot außerhalb des Unterrichts. In nahezu allen Bundesländern gebe es eine Lücke zwischen dem Platzangebot und dem elterlichen Bedarf.

Wie hoch der Bedarf genau ist, lässt sich aber kaum genau beziffern. Das liegt auch daran, dass die Nachfrage nach Betreuungsangeboten steigen dürfte, wenn das Angebot ausgebaut wird. Die Bundesregierung schätzt den zusätzlichen Bedarf an Ganztagsplätzen in einem Ende 2024 veröffentlichten Bericht auf eine Zahl zwischen 300.000 und 481.000 neuen Plätzen bis zum Schuljahr 2029/30.

Betreuung in Ferienzeiten

Eine weitere Baustelle: Die Kommunen müssen auch für die Ferienzeiten eine Betreuung sicherstellen. Höchstens an 20 Werktagen pro Schuljahr dürfen die Schulen geschlossen bleiben. Der DStGB sieht hier Nachbesserungsbedarf. Es sei „ungeklärt, ob und in welcher Form die bisherigen kommunalen Angebote in den Ferien rechtsansprucherfüllend sind“, bemängelt der Verband in seinem Faktenblatt zum Ganztagsausbau. 

Das Thema treibt auch Fürths 2. Bürgermeister Braun um: „Dies führt zu einem erhöhten Bedarf an Personalstunden, für den derzeit noch keine Förderrichtlinie vorliegt.“ Aktuell trügen die Kommunen die Gesamtkosten der Ferienbetreuung, ein Teil davon werde durch Elternbeiträge gedeckt.

Weiterführende Links:

  1. Faktenblatt DStGB und Bericht der Bundesregierung 
  2. DJI-Kinderbetreuungsreport 2023 
  3. Informationsseite des Bundesfamilienministeriums
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Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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