Was der Koalitionsvertrag den Kommunen bringt
Die Spitzen von CDU, CSU und SPD haben ihren Entwurf für einen Koalitionsvertrag vorgestellt. Er enthält viele wichtige Punkte für Städte und Gemeinden – von Kommunalfinanzen über Bürokratieabbau bis zu verschärfter Migrationspolitik. Ein Überblick.
Florian Gaertner
Markus Söder (CSU), Friedrich Merz (CDU), Lars Klingbeil und Saskia Esken (beide SPD) präsentierten am 9. April 2025 den ausgehandelten Koalitionsvertrag.
144 Seiten umfasst der Koalitionsvertrag, den die Parteispitzen von CDU, CSU und SPD am Mittwoch im Paul-Löbe-Haus des Bundestages präsentiert haben. Darin finden sich viele Vorhaben, welche die Städte, Gemeinden und Landkreise betreffen. Wir fassen die wichtigsten Punkte zusammen.
Soziales
Die Koalitionäre wollen soziale Leistungen „zusammenfassen und besser aufeinander abstimmen, etwa durch die Zusammenführung von Wohngeld und Kinderzuschlag“. Eine Kommission gemeinsam mit Ländern und Kommunen soll bis Ende 2025 ein Ergebnis präsentieren, wie der Sozialstaat modernisiert, reformiert und entbürokratisiert werden kann. Das Bürgergeld wird zu einer Grundsicherung für Arbeitsuchende umgestaltet. Die drei Parteien wollen die Vermittlung in Arbeit stärken und die Jobcenter dafür „ausreichend“ finanziell ausstatten. Mitwirkungspflichten und Sanktionen werden verschärft.
Bauen und Wohnen
Planungen sollen beschleunigt werden: „Notwendig ist eine grundsätzliche Überarbeitung von Planungs-, Bau-, Umwelt-, Vergabe- und des (Verwaltungs-)Verfahrensrechts“, heißt es im Vertrag. Angekündigt wird eine „Investitions-, Steuerentlastungs- und Entbürokratisierungsoffensive“, um den Wohnungsbau anzukurbeln. Den sozialen Wohnungsbau wollen CDU, CSU und SPD ausbauen.
Das Baugesetzbuch soll in zwei Schritten novelliert werden. Der Umwandlungsschutz für Mietwohnungen und die Bestimmung der Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt werden um fünf Jahre verlängert. Das Kommunale Vorkaufsrecht soll in Milieuschutzgebieten und bei Schrottimmobilien gestärkt werden. Die Mietpreisbremse wird verlängert.
Das Heizungsgesetz soll durch ein neues Gebäudeenergiegesetz (GEG) ersetzt werden, das „technologieoffener, flexibler und einfacher“ wird. Im Mittelpunkt soll dabei die Frage stehen, wie CO2 vermieden werden kann. „Die Verzahnung von GEG und kommunaler Wärmeplanung vereinfachen wir“, verspricht der Koalitionsvertrag. „Das Finanzvolumen der Städtebauförderung wird schrittweise verdoppelt“, heißt es außerdem.
Verkehr und Klimaanpassung
Das Deutschlandticket wird über 2025 hinaus fortgesetzt. Ab 2029 soll „der Anteil der Nutzerfinanzierung“ (also der Ticketpreis) „schrittweise und sozialverträglich“ erhöht werden. Die Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, mit dem der Bund sich am ÖPNV beteiligt, „werden wir schrittweise deutlich aufstocken“. Gemeinsam mit den Ländern will der Bund Modellregionen für autonomes Fahren entwickeln.
Die angehende Koalition will Kommunen bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützen. Die Einführung einer Gemeinschaftsaufgabe Naturschutz und Klimaanpassung will man „prüfen“.
Kommunalfinanzen
Kommunen klagen häufig, dass sie sich durch eine Vielzahl komplizierter Förderprogramm kämpfen müssen, um an dringend benötigtes Geld zu gelangen. Laut Koalitionsvertrag soll das Förderwesen soll verschlankt und entbürokratisiert werden: „Wir werden daher mehr Fördermittel pauschal zuweisen.“
„Mit einem Zukunftspakt von Bund, Ländern und Kommunen werden wir die finanzielle Handlungsfähigkeit stärken“, kündigt der Vertrag an. Ziel ist eine „faire Aufgaben- und Finanzierungsverteilung“ zwischen den staatlichen Ebenen. „Bei Gesetzen, die die Kommunen betreffen, prüfen wir ab sofort die Kommunalverträglichkeit mit Blick auf finanzielle und organisatorische Auswirkungen unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände.“
Der Bund werde sich in dieser Wahlperiode mit 250 Millionen Euro pro Jahr an einer kommunalen Altschuldenlösung beteiligen, heißt es. Der Mindest-Hebesatz für die Gewerbesteuer soll von 200 auf 280 Prozent erhöht werden. Das soll den Druck auf Kommunen senken, sich gegenseitig bei der Steuer immer weiter zu unterbieten.
Staat und Verwaltung
Im Jahr 2025 soll eine „ambitionierte Modernisierungsagenda für Staat und Verwaltung“ erarbeitet werden. Die Koalitionäre planen eine Fachkräfteoffensive für den öffentlichen Dienst und wollen Laufbahnwechsel (also den Quereinstieg) vereinfachen. Das Vergaberecht soll „auf nationaler und europäischer Ebene für Lieferungen und Leistungen aller Art für Bund, Länder und Kommunen“ vereinfacht, beschleunigt und digitalisiert werden. Auch das öffentliche Beschaffungswesen wollen die Parteien „systematisch optimieren“ und verweisen unter anderem auf eine Bestellplattform des Bundes, die künftig auch Kommunen als digitaler Marktplatz dienen soll.
Die Digitalisierung der Verwaltung soll vorangetrieben werden. Geplant sind unter anderem ein „Doppelerhebungsverbot und Verpflichtungen zum Datenaustausch innerhalb der Verwaltung“, damit Bürger*innen und Unternehmen ihre Daten nur einmal angeben müssen. Wo es möglich ist, soll ein Rechtsanspruch auf Open Data bei allen staatlichen Einrichtungen geschaffen werden.
Im Planungsrecht soll ein „Vorrang öffentlicher Belange“ verankert werden, insbesondere bei Projekten der Daseinsvorsorge. Das Verbandsklagerecht vor Verwaltungsgerichten soll gestrafft werden.
Schutz von Kommunalpolitiker*innen
Privatadressen von Mandatsträger*innen sowie Rettungs- und Polizeikräften sollen besser geschützt werden, deshalb ist eine Überarbeitung des Melderechts geplant. Im Strafrecht soll ein erweiterter Schutz für Kommunalpolitiker*innen „geprüft“ werden.
Migration und Integation
„Das Grundrecht auf Asyl bleibt unangetastet“, stellt der Vertrag klar. Allerdings sind Verschärfungen in der Migrationspolitik geplant: Freiwillige Bundesaufnahmeprogramme sollen so weit wie möglich beendet werden. Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten wird für zwei Jahre ausgesetzt. „Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen“, kündigen CDU, CSU und SPD an. Die Zahl der Rückführungen soll gesteigert werden.
Zugleich kündigen sie an: „Wir wollen mehr in Integration investieren, Integrationskurse fortsetzen, die Sprach-Kitas wieder einführen, das Startchancen-Programm fortsetzen und auf Kitas ausweiten.“
Eine Maßnahme, die insbesondere Geflüchtete aus der Ukraine betreffen dürfte: „Flüchtlinge mit Aufenthaltsrecht nach der Massenzustrom-Richtlinie, die nach dem 01.04.2025 eingereist sind, sollen wieder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, sofern sie bedürftig sind.“ Bisher bekommen sie Bürgergeld. Der Bund soll die Mehrkosten tragen, die den Ländern und Kommunen dadurch entstehen.
Bildung und Familie
Die Koalition will Familien „in den Mittelpunkt stellen“ und für ein gutes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen sorgen. Für den Kitabereich heißt das: Für alle Vierjährigen soll eine flächendeckende Sprach- und Entwicklungsdiagnostik eingeführt werden. Außerdem soll ein neues Qualitätsentwicklungsgesetz (QEG) eingeführt und das KiTa-Qualitätsgesetz abgelöst werden.
Das Konzept der Sprachkitas soll ebenfalls weiterentwickelt werden. Außerdem heißt es: „Die Startchancen-Kitas wollen wir nach den bereits in den Ländern entwickelten Sozialindizes bürokratiearm fördern, insbesondere mit einem Chancenbudget.“ In Kitas und Krippen soll stark investiert werden, und zwar „in Neubau, Ausbau, Sanierung und Modernisierung (etwa für Inklusion, Arbeitsschutz, Ausstattung und Digitalisierung)
Am Ausbauziel für die Ganztagsbetreuung an Grundschulen wird festgehalten. „Dafür werden wir bürokratische Hürden abbauen“, heißt es. Bei der Umsetzung vor Ort sollen den Kommunen mehr Gestaltungsspielräume eröffnet werden.
Auch Angebote für Jugendliche sollen ausgebaut werden, indem der Kinder- und Jugendplan des Bundes weiterentwickelt und um zehn Prozent besser ausgestattet wird. Es soll darüber hinaus „in Orte der Jugendarbeit, Jugendfreizeit- und außerschulische Jugendbildungseinrichtungen, Familienzentren oder andere Einrichtungen der Familienbildung“ investiert werden.
Gesundheit und Pflege
Die ärztliche und pflegerische Versorgung soll im „ganzen Land“ gesichert werden. Wichtige Punkte mit Blick auf die Kommunen: Es soll aufbauend auf der Krankenhausreform der letzten Legislaturperiode eine „qualitative, bedarfsgerechte und praxistaugliche Krankenhauslandschaft“ fortentwickelt werden. Besonders im ländlichen Raum soll es zur Sicherstellung der Grund- und Notfallversorgung den Ländern ermöglicht werden, Ausnahmen festzulegen. In die energetische Sanierung und Digitalisierung der Krankenhaus,- Hochschulklinik- und Pflegeinfrastruktur soll investiert werden.
Kommunen
Die Koalition adressiert die Kommunen direkt in einem eigenen Unterkapitel. Jenseits von Förderprogrammen brauche es „eine grundsätzliche und systematische Verbesserung von Kommunalfinanzen“.
Unterstützung der Kommunen bei ihren Aufgaben im Bereich Zivil-, Bevölkerungs- und Katastrophenschutz, die Beseitigung von Leerständen in Innenstädten, sicherer Personennahverkehr und sichere Kommunen als Leitbild: das sind weitere Punkte, die die Koalitionäre aufzählen.
Die Koalition „strebt eine voll digitalisierte Verwaltung“ an. Dazu heißt es: „Ein digitales Bürgerkonto soll den Zugang zu Behördendienstleistungen erleichtern. Dazu harmonisieren alle staatlichen Ebenen ihre Verfahrensabläufe. Wir ermöglichen die vollständige digitale Beibringung von Unterlagen und Willenserklärungen grundsätzlich ohne persönliches Erscheinen.”
Koalitionsvertrag als PDF zum Download:
koalitionsvertrag2025.de
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.
Ralf Bauer
ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.