Beelitz-Heilstätten: Neues Leben im ehemaligen Lost Place
Die Beelitz-Heilstätten, ein historisches Gebäude-Ensemble in Brandenburg, haben eine wechselvolle Geschichte hinter sich – heute erfährt der Ort eine bemerkenswerte Wiederbelebung.
Billanitsch
Historische Gebäude in weitläufigen Parkanlagen in Beelitz-Heilstätten.
„Ein kulturelles Juwel und ein herausragendes Beispiel gelungener Architektur- und Landschaftsplanung“: Wer mit Bernhard Knuth, Bürgermeister der Stadt Beelitz, spricht, spürt die Begeisterung für das weitläufige historische Areal, etwa eine Autostunde südwestlich von Berlin. Ursprünglich zwischen 1898 und 1930 als Lungenheilstätten und Sanatorien errichtet, dienten sie zunächst der Behandlung von Tuberkulosepatienten. Die Arbeiterschaft aus Berlin – rund jeder Dritte war damals erkrankt – konnte sich hier bei reichhaltigem Essen und an der frischen Waldluft erholen. Mit knapp 60 Häusern auf 200 Hektar Fläche und 1.200 Betten war sie die größte Heilstätte im Deutschen Kaiserreich.
Heilstätte und Lazarett in Jugendstilbauten
„Wenn ich durch die Heilstätten laufe, bin ich immer wieder erstaunt, wie viel Wert auf Details man damals bei öffentlichen Bauten gelegt hat. Die ganze Anlage ist großzügig geplant, wie ein perfekt durchdachter Komplex, und hat dabei fast parkähnlichen Charakter. An den wunderschönen Jugendstil-Gebäuden gibt es großartige Stuck-Verzierungen. Auch die hochwertigen Fliesen von Villeroy und Boch haben bis heute überdauert“, schwärmt der Bürgermeister (Unabhängiges Kommunal Bündnis).

Während des Ersten Weltkriegs wurden die Anlagen als Lazarett genutzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die Sowjetarmee das Gelände und betrieb dort bis 1994 das größte Militärkrankenhaus außerhalb der Sowjetunion. Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen verfielen die Gebäude zunehmend. Vandalismus und Diebstahl hinterließen deutliche Spuren, und das Gelände wurde zu einem sogenannten „Lost Place“. Die pittoresken Ruinen waren jedoch auch ein Anziehungspunkt für Künstler, Fotografen und Filmproduktionen. Trotz zahlreicher Versuche, die Gebäude zu retten, scheiterten einige Projekte an finanziellen Hürden oder mangelndem Denkmalschutz.
Heilstätten-Areal: Verfall wird gestoppt
In den letzten Jahren hat sich die Situation jedoch grundlegend geändert. Dank privater Investoren und nachhaltigen Planungen der Gemeinde Beelitz wurde das Areal wiederbelebt. Zum Glück, meint Knuth: Es habe engagierte Investoren mit Bezug zum Ort und der Ausdauer, die Verhandlungen mit vielen Stellen auch auf Landesebene durchzuziehen, gegeben. Gemeinsam konnte die Entwicklung laut Knuth so weit vorangetrieben werden, dass im Jahr 2015 der Baumkronenpfad eröffnen konnte. Er führt Besucher über die Dächer der ehemaligen Sanatorien und macht das Gelände nördlich des Bahnhofs zu einem beliebten Ausflugsziel. Das sei auch „eine Initialzündung“ für Heilstätten weg vom Lost Place und hin zum lebendigen Quartier gewesen, so Knuth.
Der Investor Jan Kretzschmar von KW Development hat ein Konzept für die Entwicklung des Areals südlich der Bahngleise vorgestellt. „Das hat uns in der Verwaltung und die gewählten Stadtverordneten auf ganzer Linie überzeugt. Die historischen Bestandsgebäude wurden und werden saniert und von neuem Leben erfüllt“, betont Knuth. Dazu geselle sich eine Nachverdichtung mit modernen Gebäuden, die sich aber optisch dem Jugendstil der historischen Häuser anpasse. „Dass diese Mischung funktioniert, sehe ich bei jedem Rundgang.“
Wohnen in historischen Denkmälern
Der Bebauungsplan für den ersten Teilbereich des Projekts für insgesamt 250 Wohnungen und 400 Einfamilien-, Reihen- und Doppelhäuser wurde bereits Ende Dezember 2020 vom Landkreis Potsdam-Mittelmark genehmigt. Bis heute hat das Projekt sichtbare Formen angenommen: Seit April 2023 sind die ersten Wohnungen, Einfamilien- und Reihenhäuser bereits bewohnt, sagt der Sprecher von KW-Development.
In den Denkmalgebäuden historische Wäscherei, Bäckerei und Fleischerei sind jetzt Mietwohnungen. Auch das Männersanatorium, das Badehaus und Verwaltungsgebäude wurden saniert, ebenso wie der Bahnhof mit neuen Büroräumen und einem Restaurant mit Biergarten.
Beelitz-Heilstätten: Infrastruktur mitgeplant
Auch wichtige Infrastruktur ist im Quartier schon vorhanden: eine neue Kita, die neue Schule mit Hort sowie eine Zweifelder-Sporthalle, eine Schwimmhalle, ein Supermarkt und weitere Einzelhandelsgeschäfte. Ins alte Pumpenhaus ist eine Bäckerei mit Café eingezogen. Darüber hinaus ist ein Ärztehaus sowie ein Fitnessstudio in Betrieb. „Ein Seniorenheim sowie weitere 200 Wohnungen sollen noch in diesem Jahr fertiggestellt werden“, sagt der Sprecher von KW-Development. In der zweiten Jahreshälfte könnten auch erste Mieter in die Büros, Ateliers und Ladenflächen des denkmalgerecht sanierten alten Heizhauses einziehen. Einen weiteren Teil des Areals hat die Klinikgruppe Recura aktiviert.
Dass der Verfall vieler historischer Orte nun gestoppt wird, bedeutet den Bewohner*innen viel: „Wenn man wie ich Beelitz-Heilstätten noch aus den Jahren des Leerstandes kennt und sieht, wie sich der Ort jetzt entwickelt, geht einem wirklich das Herz auf!“, meint der Bürgermeister. Aus dem einstigen Lost Place sei ein Ort geworden, der mit Barfußpark und Baumkronenpfad viele Touristen anzieht, durch die Recura-Kliniken noch immer vielen Menschen Genesung bringe und nun auch ein „beliebter Wohnort“ werde.
Heilstätten: Seit Januar eigener Ortsteil der Stadt Beelitz
Beelitz-Heilstätten ist mittlerweile sogar seit Januar 2024 ein eigener Ortsteil der Stadt Beelitz. Ortsvorsteher ist Daniel Rödig vom Bündnis Plan B. Der Ortsbeirat habe die Entwicklung des Geländes der Heilstätten als sehr positiv und zukunftsweisend wahrgenommen, sagt er auf Anfrage der DEMO. Das historische Gelände sei bedeutsam für die lokale Gemeinschaft: „Es hat sich aus meiner Sicht zu einem nennenswerten und identitätsstiftenden Ort entwickelt. Es vereint auf beeindruckende Weise Geschichte, Architektur, Natur und moderne Nutzung. Viele Beelitzer und Beelitz-Heilstättener sind stolz darauf, dass die Heilstätten inzwischen überregional bekannt ist und Besucher anzieht.“
Darüber hinaus gebe es regelmäßige Veranstaltungen, Führungen und kulturelle Formate, die von der lokalen Bevölkerung intensiv genutzt würden. Rödig ist überzeugt, Beelitz-Heilstätten werde sich somit zunehmend zu einem sozialen und kulturellen Ankerpunkt für die Region entwickeln.
Neubau der Kreisverwaltung beschlossen
Zusätzlich wird der geplante Neubau der Kreisverwaltung Leben in die Kommune bringen. Knuth begrüßt den Neubau ausdrücklich, auch die Stadtverordnetenversammlung habe die planerischen Weichen für diesen Neubau mit großer Mehrheit befürwortet. Die Verkehrsinfrastruktur mit Autobahn und der Bahnstrecke ins Zentrum von Berlin und nach Potsdam kann den zusätzlichen Verkehr aufnehmen, so der Bürgermeister. Mit Blick auf die gestiegene Einwohnerzahl werde die Infrastruktur in naher Zukunft angepasst, so werde etwa ein Kreisverkehr gebaut sowie ein großes Parkhaus am Bahnhof. „Wir sehen Beelitz-Heilstätten insgesamt gut gerüstet für die Zukunft.“
Ralf Bauer
ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.