Kleinstadtladys rocken die Innenstadt
Im sächsischen Borna unterstützt ein Netzwerk junger Frauen die Revitalisierung des Zentrums.
Stadt Borna
Bornas Oberbürgermeister Oliver Urban (SPD) mit den „Kleinstadtladys” Kathleen Czinkewitz, Anne Teichmann, Sandra Grodzinski-Weise und Susann Liebing (v. l.) bei der Eröffnung des städtischen Familienbüros Ende 2023.
Wir sind gerade dabei, die Treppe hinaufzusteigen, die bei anderen hinabführt…“, gibt sich Oliver Urban (SPD) selbstbewusst. Bornas Oberbürgermeister schaut in eine wirtschaftlich stabile Zukunft für den Verwaltungssitz des Leipziger Umlandkreises. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle eröffnete hier jüngst eine Außenstelle. Eine neue Berufsfachschule entsteht gerade. Zudem nimmt ein Co-Working-Space Gestalt an, ein kilometerlanger Fahrradweg erhöht die touristische Anbindung und eine neue Zufahrtsstraße macht Borna bald auch zu einem lukrativen Produktionsstandort für grünen Wasserstoff.
Leere Innenstadt, wenig Geschäftigkeit
Doch all das belebt noch nicht die Innenstadt. Diese gründet auf einen mittelalterlichen Grundriss und ist sehenswert restauriert, doch laboriert sie wie viele andere an Leerstand und damit fehlender Geschäftigkeit. Die Reichsstraße – einst pulsierende Einkaufsmeile der 20.000 Seelen zählenden Stadt – stützt sich nur noch auf einige inhabergeführte Läden, Dönerbistros und Versicherungsbüros. Deswegen hatte Urban die Wiederbelebung der Innenstadt 2022 auch zu einem Wahlschwerpunkt erklärt.
Bereits als Stadtrat und SPD-Fraktionschef kämpfte er dafür und initiierte die Bewerbung Bornas um Fördermittel aus dem Bundesprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ (ZIZ). 465.000 Euro zusätzlich hat er damit nun unter anderem für die funktionale Stärkung der Reichsstraße als Hauptgeschäftsstraße und zentrale Fußgängerzone zur Verfügung – ein knappes Viertel davon als kommunaler Eigenanteil.
Wandel durch kreative Köpfe
Aber auch davon lassen sich noch keine Geschäftsnachfolger backen, keine belebenden Altstadtevents herbeizaubern, keine Leerstände managen. Doch eine aufstrebende Stadt zieht auch kreative Köpfe an. Zum Beispiel die „Kleinstadtladys“, ein fast durchweg weibliches Netzwerk. Kathleen Czinkewitz und Anne Teichmann, die beiden wortführenden Ladys, haben sich einst im Elternbeirat der Kinderkrippe ihrer Töchter kennengelernt. Beide waren zugezogen und merkten schnell, dass es hier noch an Leben fehlt, gerade für junge Familien.
So veranstalteten sie als erstes auf dem Dach eines Innenstadt-Parkhauses einen Flohmarkt. Die Kontakte, die sie hier vor allem über Social Media knüpften, dienten fortan als Startbasis für weitere Ideen – von Veranstaltungstipps bis zu eigenen Spielplatz- und Restaurants-Checks. So kamen sie bald auch in Kontakt mit Händlern, Gewerbetreibenden, anderen findigen Geistern, und es folgten auch originelle Shopping-Aktionen, etwa in den „süßen Läden der Innenstadt“. In einem leerstehenden Café organisierten sie einen Markttag und für den Weihnachtsmarkt eine Eisstockbahn.
Stadt und Netzwerk kooperieren
Und natürlich wurden die Frauen bald auch bei Oberbürgermeister Urban vorstellig. Schnell zog man an einem Strang. So finanziert die Stadt das Familienbüro in einer Innenstadtimmobilie, in der die Kleinstadtladys dienstags Sprechstunde halten, hierbei immer auch auf der Suche nach neuen Ideen und Mitstreiter(innen), um die Innenstadt zu beleben: Sei es durch publikumsträchtige Events, auf der Suche nach Geschäftsnachfolgern, oder um verwaiste Immobilien wachzuküssen. Immerhin fehlt in der City noch ein Café. Auch eine Familienmesse, auf der alle Dienstleister, Anbieter und Vereine ihre entsprechenden Angebote offerieren, planen sie im Stadtzentrum.
All das sprach sich bis Dresden herum. Und so nahmen Urban und die beiden Netzwerkgründerinnen 2023 im Rahmen der sächsischen City-Offensive „Ab in die Mitte!“ stolze 40.000 Euro Preisgeld entgegen. Eingereicht hatte man die ebenfalls von den Frauen geborene Idee „Borna hellt Hof“. Mittels dieser werden nun vernachlässigte Innenhöfe und Durchgänge attraktiv beleuchtet. Es soll sie für Nachtschwärmer erlebbar machen und selbst Einheimische auf eine Weise beeindrucken, wie sie diese bisher nicht gesehen hätten, so Urban.
Bunt bepflanzte Blumenkübel als Hingucker
Auch die Ideen zu 60 bunt bepflanzen Blumenkübeln, die bald quer durch die Innenstadt zu Hinguckern werden sollen, oder zu temporären Sitzmöbeln auf ungenutzten Grün- und Brachflächen kamen von den Frauen. Bezahlt werden solche Aktion ebenso aus dem ZIZ-Fördertopf wie Mietzuschüsse, mit denen das Rathaus vorübergehend leere Räumlichkeiten in der Innenstadt anmietet, um sie zum reduzierten Preis an neue Nutzer weiterzuvermieten.
Als nächstes plant Urban entlang des Flüsschens Wyhra eine Kulturmeile für die Vereine der Stadt sowie eine Gondelstation am benachbarten Stadtteich. „Aber dafür brauchen wir auch hier erst einmal Gastronomie…“, sinniert er. Es bleibt also noch viel zu tun für ihn und seine Kleinstadtladys.
Harald Lachmann
ist diplomierter Journalist, arbeitete zunächst als Redakteur bei der Leipziger Volkszeitung, zuletzt als Ressortleiter Politik, und schreibt heute als freier Autor und Korrespondent für Tages-, Fach- sowie Wirtschaftszeitungen. Für die DEMO ist er seit 1994 tätig.