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Mühsamer Neustart

Der Bund fördert Innenstadt-Projekte. Drei Beispiele aus dem Ruhrgebiet –  Bochum, Grevelsberg und Schwerte – spiegeln die Ideenvielfalt. 
 

von Petra Kappe · 16. September 2024
Innenstadt Gewerbe Schwerte

Bürgermeister Dimitrios Axourgos, Zhanna Yakhnis-Picireanu, Rainer Sprungmann (Stadt Schwerte), Michaela Zorn-Koritzius (Leiterin Stadtmarketing), Vittorio Reale und Maria Kopin (v. l.)

Gähnende Leere im Herzen der Stadt, blinde Schaufenster, kümmerliches Grün und Staub, der alles in Grau tüncht: So liest sich das Szenario von den verödenden oder sterbenden Innenstädten. Der Trend greift um sich, die Tristesse erfasst Städte jeder Größe, und alle versuchen sie gegenzusteuern. Leerstände lautet das zentrale Wort – ganz gleich, ob man nun auf das große Bochum, das kleine Gevelsberg oder nach Schwerte blickt. Ladenlokale, die keine Pächter mehr finden, stehen leer. Klassische Fachgeschäfte sind zunehmend Fehlanzeige.

Leerstände wirken wie ein Virus. Sie infizieren die Umgebung. Die Fachfrau – in Schwerte ist das Michaela ­Zorn-Koritzius – nennt das einen Trading-Down-Prozess. Sie setzt, wie ihre Kolleginnen und Kollegen aus dem Stadtmarketing der anderen Städte, viel Energie in die Beseitigung der Leer­stände. Und die öffentliche Hand hilft mit Steuergeldern.

Aktuell läuft das Bundesprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“, von dem die drei Städte noch bis 2025 profitieren. Das Geschäft ist mühsam. Fünf Erfolgsmeldungen stehen im Zentrum von Schwerte 34 hartnäckige Leerstände gegenüber. Gevelsberg berichtet von drei Wiederbelebungen, zugleich sind zwei neue Leerstände entstanden. Eine Sisyphusarbeit.

Originelle Ansiedlungen

Die Neuerungen sind ausgefallen. Hier eine Fromagerie, dort ein Baby Beach, in dem Kleinkinder – wenn es im September eröffnet wird – salzhaltige Luft inhalieren können. Das Safari-Café hat entgegen den Öffnungszeiten geschlossen. Ein erstes Signal für die Schwierigkeiten, den Betrieb anhaltend ins Laufen zu bringen. Der Schwerter Bürgermeister Dimitrios Axourgos kennt das Problem. „Sobald die Förderung ausläuft, droht das Aus“, sagt er über die unsicheren Kandidaten. Wenn der Zuschuss zur Miete entfällt, geben sie auf.

Doch an diesem Tag kommt er zu ­einer Neueröffnung, die ihn zuversichtlich stimmt. Das Café Rosmarin hat Torten angerichtet, die Eisbehälter sind mit 20 verschiedenen Sorten gefüllt, die ersten Stammgäste von früher sitzen schon bei Kaffee und Kuchen am Tisch. Hier, am Eingang zum Zentrum, gab es schon seit 1953 eine italienische Eisdiele. „Die Voraussetzungen sind ideal“, sagt Axourgos. Neben ihm steht Altinhaber Vittorio Reale, der mit seinen 84 Jahren den Neustart unterstützt. Als Verpächter hat er ein Interesse, dass es klappt und verrät den Nachfolgerinnen auch seine „Geheimrezepte“.

Lebensqualität und Gemeinschaftsgefühl

Zhanna Yakhnis-Picireanu und Maria Kopin haben das neue Konzept entwickelt, sie sprühen vor Ideen. Maria kam vor fünf Jahren aus der Ostukraine und ist inzwischen Konditorin; Zhanna hat, seit sie vor zehn Jahren von der Krim kam, als Projektleiterin, im Pflegedienst und als Dolmetscherin gearbeitet, auch das benachbarte Restaurant gehört zu ihren Wirkungsstätten. Insgesamt 14 Arbeitsplätze sind dort geschaffen worden, und Zhanna ist überzeugt: „Es werden noch mehr.“

In den Zentren geht es nicht nur ums Einkaufen und Arbeiten, sondern auch um Lebensqualität und Gemeinschaftsgefühl. So sieht es auch die Stadt Bochum mit ihrer bereits 2017 gestarteten „Bochum 2030 Vision Innenstadt“ – also vor Pandemie, Energiekrise und Inflation. Die Krisen haben zu ­„Konsumzurückhaltung“ geführt, sagt Stadtsprecher Thomas Sprenger und nennt stichpunktartig Vorhaben, die über das Leerstandsmanagement hinausgehen: mehr Grün und Spielangebote; digitales Rathausquartier, um insbesondere migrantische Händlerinnen und Händler einzubinden; ­Zentrenmanagement für das Szene-Viertel Bermuda3Eck; Fassadenprogramm zur Aufwertung von Gebäudefassaden und zur Schaffung barrierefreier Eingangssituationen.

Der Mix muss stimmen

„Für eine attraktive Innenstadt“, so formuliert es Sprenger, „spielt neben dem Einzelhandel auch die Mischung mit anderen Angeboten eine entscheidende Rolle.“ Er denkt dabei an Gastronomie ebenso wie an Fitnessstudios, Ärztezentren oder Co-Working-Spaces und findet: „Auch experimentelle Formate wie Showrooms, Flagship-Stores mit (virtuellen) Ausprobiermöglichkeiten, Escape-Rooms, Treffpunkte für E-Sports oder beliebte Gesellschaftsspiele sowie Indoor-Sportangebote für Jugendliche gehören dazu.“
Das sind eher großstädtische Angebote. In den kleineren Städten fallen die Projekte bescheidener aus. 

Das schlägt sich in den Fördersummen nieder. Während Gevelsberg exakt 242.086,20 Euro erhält und Schwerte mit 585.540 Euro rechnen kann, waren für Bochum ursprünglich Bundesmittel in Höhe von gut zwei Millionen Euro bewilligt worden. „Ursprünglich“, betont Sprenger, denn inzwischen wurde der Betrag auf 1.514.302,13 Euro verringert und „eine weitere Reduzierung zeichnet sich ab“. Der Grund seien Verzögerungen in der Bewilligungsphase gewesen, sodass Maßnahmen nicht fristgerecht umgesetzt werden konnten.
 

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