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Frauenhaus-Statistik: 14.000 Plätze in Deutschland fehlen

Zu wenige Plätze, kein Recht auf Schutz, komplizierte Kostenübernahme-Verfahren: Die neue Frauenhausstatistik 2023 legt offen, wie schwierig die Situation schutzsuchender Frauen und Kinder in Deutschland ist. 

von Karin Billanitsch · 9. Oktober 2024
Mutter mit Kind

Es gibt laut der neuen Frauenhaus-Statistik 2023 zu wenig Plätze für Frauen und Kinder, die vor häuslicher Gewalt Schutz suchen. 

Gewalt gegen Frauen ist nach wie vor keine Randerscheinung in Deutschland: Rund 14.240 Frauen und 16.000 Kinder haben 2023 Schutz in einem Frauenhaus gefunden. Das geht aus der heute veröffentlichten Frauenhaus-Statistik 2023 von Frauenhauskoordinierung e.V. (FHK) hervor. Im Vorjahr waren es 14.400 Frauen und 16.670 Kinder. Die Zahl von Frauen und Kindern, die überwiegend männlicher Gewalt ausgesetzt sind, bleibt anhaltend hoch. 

Christiane Völz: Alarmierende Zahlen

Diese Zahlen sind für Christiane Völz, Vorstandsvorsitzende von FHK, alarmierend: „Sie zeigen den dringenden Handlungsbedarf. Die Istanbul-Konvention und die EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vom Mai dieses Jahres verpflichten Deutschland, allen gewaltbetroffenen Frauen und Mädchen umfassenden Schutz und diskriminierungsfreie Unterstützung zu geben“ betont Volz in einer Mitteilung der FHK. Frauen seien nach wie vor unverhältnismäßig stark von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt betroffen.  

Dabei wird es offenbar immer schwieriger für die Schutzsuchenden, einen nah am Wohnort gelegenen Platz zu finden. Die Frauenhaus-Statistik zeigt, dass der Anteil dieser Frauen seit Jahren kontinuierlich sinkt. Während 2013 noch 54 Prozent der Frauen in der eigenen Kommune Schutz fanden, waren es 2023 nur noch 36 Prozent. Es ist allerdings für die Frauen oft wichtig, in der Nähe ihres alten Wohnorts zu bleiben, etwa wenn sie dort arbeiten oder ihre Kinder zur Schule gehen. 

FHK kritisiert Finanzierung des Systems

Die Gründe dafür können unterschiedlich sein, zum Beispiel dass es in der eigenen Stadt keine freien Plätze mehr gegeben habe. Manchmal stünden auch die „Schutzinteressen der Frau“ entgegen, heißt es im FHK-Bericht. Außerdem untersagten Kommunen zunehmend den Frauenhäusern, Betroffene aus anderen Herkunftskommunen aufzunehmen, da sich die Kostenerstattung manchmal langwierig und kompliziert gestalte. Es gebe große Lücken bei der Finanzierung des Hilfesystems insgesamt, heißt es. 

Viele Frauen müssen selbst bezahlen, wenn sie ins Frauenhaus flüchten. Denn viele Kommunen regeln das Finanzielle über die Grundsicherungssysteme des Sozialgesetzbuchs. Wer keine Sozialleistungsansprüche hat, etwa Studentinnen oder Betroffene mit eigenem Einkommen, geht leer aus. Laut der neuen Statistik bezahlte mehr als jede vierte Frau (28 Prozent) ihren Aufenthalt teilweise oder ganz selbst. 

Appell an Bundesregierung

FHK-Geschäftsführerin Sibylle Schreiber weist auf die Konsequenzen hin: „Nur mit einem Rechtsanspruch auf kostenfreien Zugang zu Unterstützung können wir verhindern, dass Frauen sich aus finanzieller Not gezwungen sehen, in eine Gewaltbeziehung zurückzukehren, oder in prekäre Lebensverhältnisse gedrängt werden“, betont sie. Bislang gibt es in Deutschland keinen rechtlichen Anspruch auf Schutz und Hilfe bei Gewalt.

Christiane Völz macht überdies darauf aufmerksam, dass bundesweit über 14.000 Frauenhausplätze fehlen. Laut dem Bericht der FHK seien derzeit cirka 7.700 Plätze vorhanden, 21.000 Plätze würden jedoch nach der Instanbul-Konvention benötigt, schätzten die Autoren des Berichts. Völz appelliert an die Bundesregierung, „dringend noch in diesem Jahr das im Koalitionsvertrag versprochene Gewalthilfegesetz auf den Weg zu bringen“. 

Die Statistik von FHK liefert jedes Jahr bundesweite Daten zu Frauenhäusern und ihren Bewohner*innen. Die Berechnungen für das Jahr 2023 beruhen auf Angaben zu 6.264 Frauen und 7.043 Kindern aus 176 der insgesamt rund 400 Frauenhäuser in Deutschland. 

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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