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Gutachten zur Pflegeplanung: Große Unterschiede in den Bundesländern

Bei der Planung der Pflegeversorgung in den Kommunen sehen Expertinnen Handlungsbedarf. Ein neues Gutachten kritisiert unterschiedliche Vorgaben in den Ländern und wirbt dafür, den Kommunen mehr Gestaltungsmöglichkeiten zu geben. 

von Karin Billanitsch · 23. Juli 2025
Eine ältere Patientin im Zimmer eines Pflegeheims

Eine ältere Patientin im Zimmer eines Pflegeheims. Eine neues Gutachten hat auf Handlungsbedarf bei der Planung der Pflegestrukturen hingewiesen. 

Mehr kommunale Gestaltungsmöglichkeiten und mehr Verbindlichkeit in der Pflegeplanung – dafür wirbt eine neue Studie des Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES). Den Auftrag für die Studie hat noch der damalige Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erteilt. Nun wurde das Gutachten „Kommunale Pflegeplanung“ vorgestellt. „Wir brauchen eine bundesweit verbindliche Pflegestrukturplanung“, forderte Katrin Staffler, die neue Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, bei der Präsentation.

Landesgesetze zur Pflegeplanung „eher rudimentär“

Die fünf Autorinnen haben die Situation in allen Bundesländern unter die Lupe genommen und eine Übersicht über die rechtliche Situation erstellt. Für die pflegerische Versorgungsstruktur sind die Länder verantwortlich. Ein Ergebnis: Mit Ausnahme von Sachsen haben alle Bundesländer gültige Pflegegesetze – allerdings sind die Regelungen sehr unterschiedlich ausgestaltet. In der Gesamtschau heißt es im Gutachten: „Die landesgesetzlichen Regelungen zu den Inhalten einer Pflegeplanung sind durchweg eher rudimentär.“ Darüber gibt hinaus weitere Rahmengesetzgebungen und Rechtsverordnungen, die im Gutachten aufgelistet werden. 

Auch die Verantwortlichkeiten unterscheiden sich: In den „kleinen“ Ländern (Stadtstaaten und Saarland) liege die Verantwortung für die Pflegeplanung auf Landesebene, während diese vor allem in den großen Flächenstaaten den Stadt- und Landkreisen übertragen worden sei. Gemeinsame beziehungsweise geteilte Verantwortlichkeiten finden sich laut dem Gutachten in Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen

Pflegeversorgung: Wichtige Rolle der Kommunen

Kommunen würden eine sehr wichtige Rolle in der Gestaltung von Versorgungsstrukturen spielen, betonen die Gutachterinnen. Eine Folge des rechtlichen Flickenteppichs ist aber, dass die Kommunen vor Ort unterschiedlich vorgehen. Einblicke in die konkrete Praxis bieten viele Planungsbeispiele, die das IGES untersucht hat sowie Interviews mit Vertreter*innen von 100 Kommunen. Dabei habe sich gezeigt, dass die Lage sich als „sehr vielfältig“ darstelle, so die Autorinnen. 

„Das Spektrum kommunaler Planungen reicht von einer engen Betrachtung (Pflegestrukturplanung) bis zu einer umfassenden und integrierten Betrachtung der Bedarfe der älteren Bevölkerungsgruppen mit den Bereichen Gesundheit & Pflege, Soziales, Integration, Inklusion, Arbeitsmarkt, Bildung, Verkehr, Stadtplanung, Stadtentwicklung und Umwelt“, führen sie aus. Beispielsweise hätten 40 Prozent aller 96 Kreise in Bayern im Jahr 2020 keine aktuelle Pflegeplanung gehabt. 

Pflegepolitik: Geteilte Zuständigkeiten erschweren die Steuerung

Hintergrund: Nach dem Pflegeversicherungsrecht ist Pflege eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Insofern agierten Kommunen in der Pflegepolitik im Spannungsfeld von geteilten Zuständigkeiten. Das habe nach Einführung der Pflegeversicherung unter anderem zu einem starken Rückgang des Engagements der Kommunen bei der Planung und Finanzierung der pflegerischen Infrastruktur geführt, so die Verfasserinnen. Den Kommunen fehle es an Steuerungskompetenz, weil daneben auch Pflegeeinrichtungen, Pflegekassen und medizinische Dienste eine Rolle spielten. 

Manche Bundesländer haben landesweite Fachstellen beauftragt, die die Kreise bei den Pflegeplanungen unterstützen (so etwa Baden-Württemberg, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Thüringen und seit diesem Jahr auch Sachsen-Anhalt). Andere bieten auch finanzielle Hilfen, zum Beispiel in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. 

Handlungsempfehlungen zur Pflegeplanung

Trotz aller Unterschiede „ähneln sich die Befunde, Wünsche und Anregungen, die aus den Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Planungspraxis gewonnen wurden, stark“, merken die Autorinnen an und listen die Kernpunkte auf: unter anderem konkretere Vorgaben durch die Länder, mehr Personalressourcen in den Kommunen sowie ein besserer Zugang zu Daten der Kranken- und Pflegekassen. Auch übergreifende Zusammenarbeit sei wichtig: „Die Vernetzung zwischen Landkreisen und innerhalb von Regionen wird als essenziell angesehen, derzeit aber nur in jeder zweiten Planung thematisiert“, so das Gutachten. 

Als mögliche Instrumente, die den Kommunen ermöglichen würden, die Lage besser zu steuern, nannte Staffler „eigene Case-Manager als Organisatoren vor Ort, eigene Förderprogramme, Zustimmungserfordernisse bei anderen Förderungen oder die Beteiligung der Kommunen beim Abschluss von Versorgungsverträgen“. 

Die Krankenkasse AOK brachte in diesem Zusammenhang auch das Modell der „Caring Communities“, ins Spiel, also lokale Strukturen, in denen Nachbarschaftshilfe, freiwilliges Engagement und professionelle Dienste zusammenfließen. 

Kommission zur Reform der Pflegeversicherung

Wegen der demografischen Entwicklung werden immer mehr ältere Menschen in Deutschland leben und der Druck, die Pflegeversicherung zu reformieren, nimmt zu. Eine von der Bundesregierung eingesetzte Bund-Länderkommission, die dazu Vorschläge erarbeiten soll, hat im Juli ihre Arbeit aufgenommen. 

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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