So hat Hamburg gewählt: landesweit und in den Bezirken
Nur eine Woche nach ihrer schweren Wahlniederlage bei der Bundestagswahl ist die SPD wieder auf der Siegerstraße: Bei der Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft kam sie klar auf Platz 1, auch den Bezirken. Und dafür gibt es gute Gründe.
Imago / Hans Bode
Wahlplakat der SPD mit dem Mann, der weiterhin Nummer 1 ist: dem Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher.
Die SPD hat die Bürgerschaftswahl in Hamburg gewonnen. Sie liegt deutlich über 30 Prozent. Laut Landeswahlleiter kommt sie auf 33,5 Prozent und damit auf den ersten Platz. Danach folgen – mit deutlichem Abstand – Union und Grüne, die beide unter 20 Prozent liegen. Die Union kommt auf 19,8, die Grünen auf 18,5 Prozent. Ebenfalls in der Bürgerschaft vertreten sein werden die Linke (11,2 Prozent) und die AfD (7,5 Prozent) und. FDP (2,3 Prozent) und BSW (1,8 Prozent) scheitern klar an der Fünf-Prozent-Hürde.
Neue Bürgerschaft: Mehrheit für Rot-Grün
Im Vergleich zur letzten Bürgerschaftswahl vor fünf Jahren bedeutet dies: SPD und Grüne verlieren beide 5,7 Prozent. Zugelegt hat die CDU um 8,6 Prozent, die AfD um 2,2 Prozent und die Linke um 2,1 Prozent. Die FDP verliert 2,7 Prozent, das BSW gab es 2020 noch nicht.
Damit gibt es in der neuen Bürgerschaft eine klare Mehrheit für ein SPD-geführtes Zweier-Bündnis. 61 Mandate werden für eine Mehrheit in der Bürgerschaft mit ihren 121 Sitzen benötigt. SPD und Grüne verfügen zusammen über 70 Mandate. Alternativ gäbe es auch eine Mehrheit für ein rot-schwarzes Bündnis, das auf 71 Sitze käme.
Klares Ziel der SPD im Wahlkampf war es jedoch, die rot-grüne Koalition im Rathaus fortzusetzen. Das ist auch der Wunsch der Mehrheit der Wähler*innen.
Laut ARD-Umfrage vom Wahltag finden 61 Prozent der Befragten einen rot-grünen Senat gut. Dagegen befürwortet nur eine Minderheit von 38 Prozent eine Koalition von SPD und CDU. Die SPD werde erst mit den Grünen sprechen und danach mit der CDU, so Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher im ZDF-Interview am Wahlabend. So habe man es auch vor fünf Jahren gehalten. Das Ziel sei eine gute Regierungsarbeit.
Peter Tschentscher: Erfolg durch großartigen Wahlkampf
Riesenjubel in Hamburg auf der Wahlparty der SPD: Als Bürgermeister Peter Tschentscher gegen 18.30 Uhr den Saal betritt, brandet großer Beifall auf. „Peter Tschentscher! Peter Tschentscher!“, schallt es in Sprechchören laut durch den Saal. Der Bürgermeister lächelt und scheint den Jubel zu genießen, auch wenn es dauert, bis er dann endlich zu Wort kommt. Als erstes bedankt er sich bei den Genoss*innen „für den großartigen Wahlkampf“ der Partei.
Die letzten Wochen seien „sehr anstrengend“ gewesen. Es sei schwer für die Hamburger SPD gewesen, direkt nach der Bundestagswahl weiter erfolgreich Wahlkampf zu führen und über die Hamburger Themen zu sprechen, „wenn ganz Deutschland in Aufregung ist“ wegen der Bundestagswahl.
Der „wichtigste Moment“ im Wahlkampf sei der Abend des 23. Februar gewesen. Trotz der Niederlage der Bundespartei habe die Hamburger SPD den Kopf nicht hängen lassen, sondern „mit einer großen Geschlossenheit“ weitergekämpft, dafür weiter stärkste Kraft in der Hansestadt zu bleiben. „Und genau das ist auch gelungen“, so Tschentscher unter kräftigem Jubel der Genoss*innen.
Blick in Bezirke, Wahlkreise und Stadtteile
Blickt man bei den Landesstimmen auf die stärkste Kraft auf der Bezirksebene, so hat die SPD in allen sieben Bezirken die Mehrheit errungen. In Wandsbeck waren es 36,7 Prozent, gefolgt von Bergedorf mit 35,2 Prozent der Stimmen, dann folgte Harburg mit stattlichen 35,1 Prozent, in Mitte erzielte die SPD 29,4,1 Prozent der Stimmen. In Hamburg-Nord kamen die Sozialdemokraten auf 33,0 Prozent, Eimsbüttel schnitt ebenfalls über der 30-Prozent-Marke mit 33,1 Prozent ab und schließlich folgte Altona mit 29,2 Prozent.
Auf Wahlkreisebene (Zweitstimmen) konnte die Grünen laut ndr bei den Zweitstimmen zweimal gewinnen: in den Wahlkreisen Altona (28,6) und Rotherbaum – Harvestehude – Eimsbüttel-Ost (28,4 Prozent. (Stand 16:50 Uhr)
Beim Blick in die Stadtteile ergibt sich ein differenzierteres Bild: In 12 Stadtteilen hatte die CDU die Nase vorn, in sechs Stadtteilen die Grünen, und fünf Stadtteile konnte die Linke erobern.
Hamburger*innen waren mit Senat zufrieden
Seit 2018 regiert Peter Tschentscher als Erster Bürgermeister Hamburg. Davor war er ab 2011 Finanzsenator unter dem damaligen Bürgermeister Olaf Scholz. Die Hansestadt gilt nachwievor als Hochburg der SPD. Seit 1946 regiert die Partei hier, mit wenigen Unterbrechungen, wie der Amtszeit des CDU-Bürgermeisters Ole von Beust Anfang der 2000er Jahre. Auch der bei der Bundestagswahl am 23. Februar wurde die SPD mit rund 23 Prozent stärkste Kraft.
Dass sie bei der Hamburg-Wahl eine Woche später deutlich besser abschnitt, hatte mit der großen Zufriedenheit der Hamburger*innen zu tun: 59 Prozent der Befragten waren mit der Arbeit des rot-grünen Senats zufrieden, so die ARD-Vorwahlumfrage vom 20. Februar. Zum Vergleich: Mit der Arbeit der Bundesregierung waren kurz vor der Wahl nur noch 17 Prozent zufrieden. Da war es für die SPD an der Elbe eine gute Nachricht, dass für 6 von 10 Befragten die Landespolitik für ihre Wahlentscheidung am 2. März eine wichtigere Rolle spielte als die Bundespolitik.
Mit Blick auf die Wählerwanderung haben laut Infratest dimap 12.000 bisherige Nichtwähler ihre Stimme der SPD gegeben, 19.000 wechselten von den Grünen. 4.000 Wähler*innen verlor die SPD an die AfD und 23.000 an die CDU.
SPD gab vier zentrale Wahlversprechen
Die SPD setzte im Wahlkampf aber nicht nur auf ihren populären Bürgermeister und seine Amtsbilanz, sondern auch auf ihr Wahlprogramm. Es stand unter dem Slogan „Hamburg vereint“. Dabei gab die SPD vier zentrale Versprechen ab: „Mit uns wird das Leben einfacher“, „Mit uns bleibt Hamburg bezahlbar“, „Mit uns bleibt die Stadt sicher“ und „Mit uns ist Hamburg Zukunftsstadt“.
Konkret bedeutet das: Die SPD will 10.000 neue Wohnungen im Jahr genehmigen, mit je einem Drittel Sozialwohnungen, frei finanzierten Mietwohnungen und Eigentum. In der Verkehrspolitik setzt sie auf einen Ausbau der ÖPNV, ohne den Autoverkehr pauschal auszubremsen. Den Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen will die SPD weiter vorantreiben. In der Migrationspolitik setzt sie auf eine gesteuerte Zuwanderung, wobei sie die Zahl der Abschiebungen von straffälligen Migranten erhöhen will. Die Verwaltung soll weiter digitalisiert, die Infrastruktur ausgebaut werden, etwa beim Katastrophenschutz und den Rettungsdiensten.
Mit dem Leitthema Zusammenhalt zum Erfolg
Die Lösung für diese großen Themen bestand für Bürgermeister Tschentscher darin, „dass wir es politisch hinbekommen, Ziele miteinander zu verbinden“. Das sei die eigentliche Kunst, betonte er bei der Vorstellung der SPD-Wahlplakate am 10. Januar. Das zeigten auch die Plakatslogans „Hamburg vereint Wirtschaft und Umwelt“, „Hamburg vereint Wohlstand und Zusammenhalt“ oder „Hamburg vereint Sicherheit mit Freiheit“. Laut Tschentscher setzte die Partei „sehr stark auf diesen Zusammenhaltsgesichtspunkt“. Damit hatte die SPD offensichtlich Erfolg.
Lars Klingbeil: Freude über ein tolles Ergebnis
„Ich freue mich sehr“, kommentiert am Wahlabend im ARD-Fernsehen SPD-Partei- und Fraktionschef Lars Klingbeil das „tolle Ergebnis“. Die Hamburger SPD habe „gut gekämpft“. Dazu gratuliert er der Partei „sehr herzlich“. Im Unterschied zur Ampel-Regierung auf Bundesebene sei Hamburg in den letzten Jahren „ruhig“, „stabil“ und „geräuschlos“ regiert worden. Man habe sich dort wenig gestritten und das sei einer der Hauptkritikpunkte bei der Bundestagswahl gewesen, „dass die Ampel sich wahnsinnig viel gestritten hat“.
Aus dem Hamburger Wahlergebnis, so Klingbeil, sei für die nun anstehenden Sondierungen mit der Union zu lernen, was die Menschen erwarten: „dass die Politik handelt, dass sie Dinge voran treibt, dass die großen Fragen unseres Landes geklärt werden und das am besten in einem Stil, wo man sich nicht jeden Tag auf offener Bühne kritisiert“. Da könne man „von Hamburg einiges lernen“, betont Klingbeil.
Ralf Bauer
ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.