Wie Kommunen Wohnungslosen das Wählen erleichtern können
Auch wohnungslose Menschen haben in Deutschland ein Wahlrecht. Wie Kommunen gemeinsam mit den Trägern der Obdachlosenhilfe die Betroffenen unterstützen können, es auszuüben.
IMAGO / Seeliger
Ein Obdachloser liegt in seinem Schlafsack im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg auf der Straße. Wohnungslose Menschen haben in Deutschland ein Wahlrecht.
Zehntausende Deutsche leben Schätzungen zufolge auf der Straße, viele auch in Unterkünften ohne Meldeadresse. Mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl mahnt die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W): „Wohnungslose Menschen haben eine Stimme!“ Doch für jene, die keine Meldeadresse haben, ist der Zugang zur Wahl schwierig – weil sie selbst aktiv werden müssen.
Sabine Bösing, Geschäftsführerin der BAG W, verdeutlicht, warum es so wichtig ist, dass so viele Wohnungslose wie möglich wählen: „Besonders im Hinblick auf das EU-Ziel, Wohnungslosigkeit bis 2030 zu überwinden, brauchen wir die Stimme von wohnungslosen Menschen. Eine Politik, die die Bedürfnisse betroffener Menschen berücksichtigt, kann nur gestaltet werden, wenn diese mitentscheiden.“
Voraussetzungen für den Antrag
Fristen: Um wählen zu können, muss der Betroffene bis zum 21. Tag vor der Wahl beim zuständigen Wahlamt der Kommune einen schriftlichen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis stellen, also bis zum 2. Februar 2025. Da dieser Tag 2025 auf einen Sonntag fällt, sollte der Antrag spätestens bis zum Mittag des 31. Januar vorliegen, empfiehlt die BAG W. „Wurde die Antragsfrist verpasst, kann u. U. trotzdem gewählt werden, wenn nachgewiesen wird, dass die Frist ohne eigenes Verschulden verpasst wurde“, heißt es in einer Mitteilung.
Formalien: Folgende Formalien müssen dabei erfüllt sein: Der Antrag auf Eintragung ins Wählerverzeichnis müsse den vollständigen Namen, das Geburtsdatum und die Unterschrift der Antragstellerin oder des Antragstellers enthalten, informiert die BAG W. Als Anschrift könnten wohnungslose Menschen ohne Meldeadresse die Adresse einer sozialen Einrichtung, eines Wohnheims oder der Gemeindeverwaltung als Erreichbarkeitsadresse angeben. Außerdem müsse man sich mindestens drei Monate in der Gemeinde aufgehalten haben, heißt es.
„Ein spezieller Vordruck iat dafür nicht erforderlich“, erklärt Fachreferent Paul Neubert. Er wisse, dass das eine große Hürde sei: „Nach unserer Erfahrung wäre ein Formular einfacher auszufüllen, als selbst einen Brief zu schreiben“, so Neubert.
Wahlberechtigung: Grundsätzlich müssen die Personen auch wahlberechtigt sein, das heißt, die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, mindestens 18 Jahre alt sein und darüber hinaus nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen sein.
Briefwahl: Wer darüber hinaus per Briefwahl wählen will, der muss einen zweiten „Antrag auf Wahlschein“ stellen und danach die Unterlagen entweder persönlich abholen, sich zuschicken oder von einer bevollmächtigten Person abholen lassen.
Informationen und Hilfe für Obdachlose
Diese Prozedur dürfte für viele nicht einfach zu bewältigen sein. Treffpunkte für Obdachlose können hierbei unterstützen. Mehrere Anträge können auch gesammelt bei der Gemeinde abgegeben werden. Die BAG W appelliert an die Kommunen, die Zusammenarbeit mit den Einrichtungen und Diensten der Wohnungsnotfallhilfe zu verstärken, sowie Formblätter für Anträge und Sammelanträge anzubieten.
„Die zuständigen Behörden sollten vor Ort über die Möglichkeiten und Modalitäten umfassend informieren und wohnungslose Menschen bei der Eintragung ins Wählerverzeichnis unterstützen“, fordert Paul Neubert. Etwa dadurch, dass man ohne vorherigen Termin einfach ins Rathaus kommen und den Antrag direkt stellen kann, unter Umständen mit Unterstützung. „Mitarbeitende in den Wahlämtern sollten wohnungslosen Menschen offen und auf Augenhöhe begegnen und sie gegebenenfalls durch den formalen Prozess begleiten“, so Neupert.
Am Wahltag müssen sich Wähler*innen mit einem Lichtbildausweis ausweisen. Das stelle viele Menschen ohne festen Wohnsitz vor Probleme, meint Neubert: „Das ist eine Hürde. Oft werden ihre Ausweise geklaut oder sie besitzen gar keinen. Sich ein neues Dokument zu schnell zu beschaffen, ist oft schwiering und außerdem teuer.“
Weitere Informationen bietet die BAG W auf ihrer Internetseite.
Ralf Bauer
ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.