Perspektiven

Inklusion in Nürnberg: Gesellschaftliche Vielfalt gemeinsam leben

Vom Menschenrecht auf auf Inklusion zur konkreten Teilhabe von Menschen mit Behinderung: Die Stadt Nürnberg hat sich 2021 mit einem Aktionsplan auf den Weg gemacht. 

von Elisabeth Ries · 23. Dezember 2024
Gruppenbild vom Fchtag Inklusion in der Arbeitswelt in Nürnberg

Fachtag Inklusion in der Arbeitswelt in Nürnberg

Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (kurz: UN-BRK) der Vereinten Nationen trat 2008 in Kraft. Der völkerrechtlich bindende Vertrag konkretisiert die allgemeinen Menschenrechte für die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung. Die Bundesrepublik Deutschland ratifizierte die UN-BRK im Jahr 2009 und forderte Bundesregierung, Länder und Kommunen auf, Aktionspläne zu ihrer Umsetzung zu erstellen.

Nürnberg hat sich als Stadt des Friedens und der Menschenrechte vor etwa zehn Jahren auf diesen Weg gemacht. Der Nürnberger Aktionsplan hat die volle und umfassende Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zum Ziel und entstand nach einem mehrjährigen Beteiligungsprozess. Mit einem einstimmigen Stadtratsbeschluss wurde der erste Aktionsplan am 15.12.2021 verabschiedet und seither weiterentwickelt. Er umfasst mittlerweile 274 Maßnahmen, Angebote und Projekte, von denen 187 bereits umgesetzt sind, und wird kontinuierlich auf der Website www.inklusion.nuernberg.de fortgeschrieben.

Elisabeth Ries
Elisabeth Ries, Referentin für Jugend, Familie und Soziales in Nürnberg

Entscheidend ist, dass Inklusion als geschäftsübergreifender dauerhafter Prozess verankert wurde. Die steuernde Einheit ist im Referat für Jugend, Familie und Soziales angesiedelt und wird von Sozialreferentin und Oberbürgermeister als „Chef*innensache“ behandelt. In der verwaltungsinternen Koordinierungsgruppe Inklusion sind alle Ressorts vertreten, außerdem die Geschäftsstelle des Behindertenrates. Der mit jährlich 250.000 Euro ausgestattete „Verfügungsfonds Aktionsplan UN-BRK“ für städtische Ämter fungiert als Motor für den Inklusionsprozess: Rund 60 Inklusionsmaßnahmen konnten so schnell auf den Weg gebracht werden. Allen ist aber klar, dass der volle Umbau von Stadtraum und Stadtgesellschaft sehr viel höhere Summen und längere Zeiträume braucht. Hierzu sollen externe Akteure in eine langfristige Gesamtstrategie strukturiert und gleichberechtigt einbezogen werden.

Einige Beispiele aus unserem Aktionsplan zeigen, wie vielfältig und zugleich konkret die UN-BRK umgesetzt wird:

Inklusionsstandards bei Spielflächen

Mit den Leitlinien „miteinander spielen“ haben wir als erste Kommune verpflichtende Mindeststandards für Qualität und Inklusion auf öffentlichen Spielflächen beschlossen. Sie geben klare Kriterien vor, die auf allen Spielflächen umzusetzen sind, statt nur einzelne Leuchtturmpro-jekte zu realisieren. Dabei ist Zugänglichkeit – Angebote müssen erreichbar sein nach dem 2-Wege- und 2-Sinne-Prinzip sowie im Leitsystem vom Eingang bis zur Spielstation – ebenso bedeutsam wie Erfahrungsvielfalt, das heißt: Teilhabe für alle nach ihren Fähigkeiten. Die Leitlinien werden interessierten Kommunen zur Verfügung gestellt und regelmäßig kostenfreie Online-Einführungsseminare angeboten.

Fachdienst Inklusion

Der Fachdienst Inklusion unterstützt kostenlos und niedrigschwellig Kinder, Eltern und Personal in Kindertageseinrichtungen. Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass einige Kinder schon sehr früh Exklusion erfahren, wenn eine Regelkita mit dem Verhalten eines Kindes nicht zurecht kam. Der institutionsübergreifende Fachdienst als multiprofessionelles Team im Nürnberger Jugendamt unterstützt Kinder dabei, sich im Alltag der Kindertageseinrichtung zurecht zu finden, hilft Eltern, die geeignete Diagnostik und Unterstützung zu erhalten, und stärkt die Kitateams, damit Kinder mit sozial-emotional herausforderndem Verhalten am Bildungsangebot der Kita teilhaben können. 

Wohnungsmarkt

Menschen mit psychischen Behinderungen und Erkrankungen sind oft zu wenig im Blick, doch stoßen sie vielfach an unsichtbare Barrieren. Auch diesem Problemkreis widmet sich der Aktionsplan UN-BRK mit zahlreichen Akteuren, z.B. Selbsthilfegruppen. Vor allem beim Wohnen können Vorbehalte von Vermieter*innen oder Nachbarschaft problematisch werden. Deshalb werden Maßnahmen zur Unterstützung bei tatsächlich auftretenden Problemen und Transparenz hinsichtlich der Hilfs- und Unterstützungsangebote entwickelt. Dies kann Miet-verhältnisse stabilisieren, trägt zur Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen und zur (gegenseitigen) Sensibilisierung für die Bedarfe der Betroffenen und Beteiligten bei.

Fachtag Inklusion in der Arbeitswelt

Menschen mit Beeinträchtigungen sind ein Gewinn für die Arbeitswelt – unter diesem Motto stand im Juni 2024 ein Fachtag der Stadt Nürnberg mit rund 20 Kooperationspartnern – Träger, Behörden und Beratungsstellen. In der IHK Nürnberg stellten Unternehmen Praxisbeispiele gelungener Inklusion vor. Zugleich wurde deutlich, dass es noch Überzeugungsarbeit braucht, um die Potenziale zu entfalten.

Diese Beispiele machen deutlich, dass Barrierefreiheit weit über den Abbau physischer Schwellen hinausreicht. Um Inklusion gemeinsam zu leben, sind mindestens ebenso viele systemische und mentale Hürden zu überwinden. Mut machen vielfältige Erfahrungen gelingender Inklusion, die zeigen, dass alle dabei gewinnen. 

Dieser Artikel erschien zuerst in „vorwärts kommunal“ im Landesteil Bayern
 

Autor*in
Elisabeth Ries

Referentin für Jugend, Familie und Soziales in Nürnberg

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