Tempo 30 in der Straßenverkehrsordnung
Was neu ist: mehr Handlungsspielraum durch reformierte Verwaltungsvorschriften.
Zwiehoff/ACE
Die Einführung von Tempo 30 war bisher mit hohen Hürden verbunden – die neue Straßenverkehrsordnung lässt Kommunen nun mehr Spielraum.
Mit dem Inkrafttreten der novellierten Straßenverkehrsordnung (StVO) im Jahr 2025 und den dazugehörigen Verwaltungsvorschriften (VwV-StVO) steht den Kommunen in Deutschland ein echter Wandel in der Verkehrsplanung bevor. Insbesondere die erleichterte Anordnung von Tempo-30-Zonen auf kommunalen Straßen ist aus Sicht des Auto Club Europa, der sich als Europas Mobilitätsbegleiter versteht, als Schritt hin zu mehr kommunaler Selbstbestimmung, nachhaltiger Mobilität und erhöhter Lebensqualität anzusehen. Dies ist ganz im Sinne des ACE. Denn: Neben der klassischen Unfall- und Pannenhilfe steht vor allem das Thema Verkehrssicherheit ganz oben auf der Agenda – bearbeitet vom Hauptamt und vor allem von etwa 700 Ehrenamtlichen in ganz Deutschland. So ist das Thema „Tempo 30“ eines, was den ACE fast täglich beschäftigt. Immer wieder gelingt es auch, dass nach einem ACE-Ortstermin Beschilderungen geändert werden.
Warum eine Reform notwendig war
In der bisherigen StVO-Regelung gab es hohe Hürden für die Anordnung von Tempo 30 auf innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen. Nur unter engen Voraussetzungen – etwa bei nachgewiesenen Sicherheitsrisiken oder vor sensiblen Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäusern – konnten Kommunen entsprechende Maßnahmen ergreifen. Dies führte zu jahrelanger Kritik durch kommunale Spitzenverbände, Verkehrsplanerinnen und -planer und Anwohnende, die flexiblere Regelungen forderten. Auch der ACE setzte sich immer wieder dafür ein, dass hier den Kommunen mehr Möglichkeiten gegeben wird. Im September 2023 hatten wir an gleicher Stelle die Frage näher erörtert: Mehr Handlungsfreiheit für Kommunen in Sachen Tempolimits innerorts | Demo
Gerade im Umfeld von Schulen – insbesondere an hochfrequentierten Schulwegen – zeigte sich der Reformbedarf besonders deutlich. Trotz bekanntem Risiko war vielerorts eine Reduzierung der Geschwindigkeit auf 30 km/h nicht möglich. Erste Erhebungen im Rahmen der diesjährigen Clubinitiative des ACE unter dem Titel „Easy Going – ACE-Schulwegindex 2025“ haben hier den dringenden Handlungsbedarf bestätigt.
Wesentliche Änderungen der StVO 2025
Die Novelle der StVO und ihrer Verwaltungsvorschriften umfasst einige wichtige Kernpunkte: So wurde der Anwendungsrahmen für Tempo 30 erweitert. Dies bedeutet, dass Kommunen künftig auch auf Hauptverkehrsstraßen Tempo 30 anordnen dürfen – und zwar ohne zwingenden Nachweis einer besonderen Gefahrenlage. Dies führt zu einer Stärkung des kommunalen Ermessensspielraums: Der neue Rechtsrahmen betont die Bedeutung städtebaulicher, umweltpolitischer und auch gesundheitlicher Belange. Kommunen können sich bei Tempoanpassungen unter anderem auf Lärm- und Luftreinhaltungsziele sowie auf Verbesserungen der Aufenthaltsqualität stützen. Besonders relevant für Kommunalpolitikerinnen und -politiker ist die ausdrückliche Berücksichtigung von Schulwegen in den neuen Verwaltungsvorschriften. Der Schulwegverkehr, insbesondere zu Stoßzeiten, wird nun als eigenständiger Belang für verkehrsrechtliche Anordnungen anerkannt. Dies begrüßt der ACE ausdrücklich – gerade die Kleinsten benötigen im Straßenverkehr besonderen Schutz.
Bedeutung für die Handlungsfähigkeit der Kommunen
Die Neuerungen markieren einen Paradigmenwechsel: Die Rolle der Kommunen wandelt sich von der bloßen Ausführungsbehörde zur aktiven Gestalterin der Verkehrspolitik vor Ort. Kommunen haben mehr Steuerungsmöglichkeiten und können jetzt flexibel auf lokale Problemlagen reagieren, etwa bei der Sicherheit von Schulwegen, ohne langwierige Abstimmungen mit übergeordneten Behörden. Tempo 30 kann nun ein integraler Bestandteil nachhaltiger Stadtentwicklungskonzepte sein – etwa im Kontext von Verkehrsberuhigung, Schulwegsicherheit oder der Förderung aktiver Mobilität. Die erleichterte Einführung bietet Kommunen zudem die Möglichkeit, Bürgerbeteiligungsprozesse ernsthaft zu nutzen, statt auf formale Sachzwänge zu verweisen.
Was können Kommunen nun tun?
Durch die Neuregelung haben Kommunen nun vereinfachte – und vor allem rechtssichere –Voraussetzungen für die Einführung von Tempo 30. Ein erster Schritt könnte nun sein, das Verkehrskonzept – falls vorhanden – zu aktualisieren: Schulwegsicherheit und Tempo 30 sollten als strategische Ziele in kommunale Verkehrs-/Mobilitäts- und Klimaschutzkonzepte integriert werden. Durch die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger können zudem Bedarfe erfasst und Maßnahmen konsensfähig umgesetzt werden. Weiterhin sollte die interdisziplinäre Zusammenarbeit gefördert werden: Schulen, Ordnungsamt, Polizei, Verkehrsbehörden und Planungsabteilungen müssen gemeinsam handeln. Digitale Mess- und Feedbacksysteme können genutzt werden, um Wirksamkeit und Akzeptanz von Tempo-30-Maßnahmen in der Bevölkerung kontinuierlich zu prüfen.
Die neue StVO 2025 mit ihren überarbeiteten Verwaltungsvorschriften bietet aus Sicht des ACE den Kommunen in Deutschland ein deutlich erweitertes Handlungsfeld in der Verkehrspolitik. Gerade für den Schutz von Kindern auf stark frequentierten Schulwegen ist Tempo 30 ein zentrales Instrument. Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker sowie Verwaltungen und Straßenverkehrsbehörden sind nun gefordert, diese neuen Möglichkeiten verantwortungsvoll, strategisch und bürgernah zu nutzen.

Tempo 30 vor einer Schule erst ab 8:00 Uhr? Da wunderte sich auch Walter Schlegemann, Vorsitzender des ACE-Kreises Recklinghausen. Hier war eine Nachbesserung notwendig: Vor der Martin-Luther-King-Gesamtschule in Marl gilt nun Tempo 30 zwischen 7 und 16 Uhr!
(Foto: Zwiehoff/ACE)