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Ausgezeichnete Bürgerbeteiligung: Hoyerswerdas Weg zu einem „Grünen Saum“

Ein Erlebniswanderweg und Kulturpfad soll die Lebensqualität in der Stadt Hoyerswerda verbessern. Für das Projekt wurden ein Kommunalberat gegründet und ein aufwendiger Beteiligungsprozess initiiert. 

von Karin Billanitsch · 12. Februar 2025
Luftaufnahme der Stadt Hoyerswerda

Ein Luftbild der Stadt Hoyerswerda (Archiv). Rund um die Stadt herum soll ein attaktiver Erlebnis- und Kulturpfad entstehen. 

Wer Hoyerswerda zum ersten Mal besucht, dürfte überrascht sein vom vielen Grün, das die Kommune prägt. Denn lange Zeit stand der Name der Stadt für Braunkohletagebau und Energieindustrie in der DDR. Nun wirbt die Kommune, die rund 50 Kilometer von Dresden entfernt im Lausitzer Seenland liegt, auf ihrer Webseite mit seiner „grünen Mitte”, vielen Parks und Freiflächen sowie Natur rund um den Ortsrand.

Wechselvolle Geschichte

Der Bau des Braunkohlekombinats „Schwarze Pumpe“ sorgte dafür, dass Hoyerswerda in den 1950er Jahren eine Wohnstadt für Kohlearbeiter und ihre Familien wurde. Die Einwohnerzahl stieg von rund 5.000 im Jahr 1905 bis hin zu mehr als 70.000 in den 80er Jahren. So entstand die Neustadt mit riesigen Wohnkomplexen, die durch den schwarzen Elsterkanal von der Altstadt getrennt ist. 

Heute leben nur rund 31.000 Menschen in der drittgrößten Stadt der Oberlausitz. „Mitte der 1990er Jahre haben wir einen Strukturbruch erlebt“ sagt Annette Krzok aus dem Bereich Wirtschaftsförderung/Stadtentwicklung der Stadtverwaltung. Mit dem Zusammenbruch der Bergbau- und Energieindustrie begann eine Phase der Abwanderung: „Sehr viele Einwohner haben die Stadt verlassen, sodass wir sehr viel Leerstand hatten und damit angefangen haben, Häuser zurückzubauen“, führt Krzok aus. Dadurch seien viele Freiflächen entstanden. 

Idee für einen „Grünen Saum“ 

Schon im Jahr 2008 wurde die Idee geboren, Abriss- und andere Grünflächen miteinander zu verbinden. „Mit der TU Dresden gemeinsam haben wir diese Flächen betrachtet und ein Konzept erarbeitet, was man daraus machen kann“, erläutert die Bauingenieurin. Mehrere Schwerpunkte seien damals gesetzt worden, etwa Konzepte, die „Grüne Mitte“ aufzuwerten und die Kleingartenareale umzugestalten. Damals sei auch der Begriff „Grüner Saum“ geprägt worden. 

Entstehen wird ein Fahrrad- und Wanderweg um Hoyerswerda, der über den Kanal hinweg Alt- und Neustadt miteinander verbindet. Dabei geht es laut Krzok auch darum, „den Stadtrand zu gestalten, also unterschiedlich aufzuforsten, Freiflächen zu belassen, damit landschaftlich attraktiver Freiraum entsteht“. Für einige Jahre verschwand das Konzept in der Schublade, doch Anfang der 2020er Jahre nahm das Projekt Fahrt auf, vor allem auf Initiative der örtlichen „Kulturfabrik e.V.“ hin. 

Groß angelegtes Beteiligungsprojekt

Dabei setzte Hoyerswerda auf ein groß angelegtes Beteiligungsprojekt: Es wurde ein „Kommunaler Entwicklungsbeirat“ gegründet. Dabei wurde die Kommune von Mai 2022 an eineinhalb Jahre als eine von fünf Modellkommunen von der Berlin Governance Platform beim Aufbau und der Durchführung dieses Beteiligungsformats begleitet. 

Dieses innovative Beteiligungsformat hat die Präsidentin der Berlin Governance Platform Gesine Schwan entwickelt. Ihr Anliegen ist, das Vertrauen auf lokaler Ebene in die Demokratie zu stärken, indem möglichst viele an Entscheidungen beteiligt werden. „Wer sich auf kommunaler Ebene am politischen Betrieb beteiligt, ihn versteht und sich selbstwirksam fühlen kann, dem erscheint auch die gesamte Demokratie in einem anderen Licht. Man durchschaut sie besser und entwickelt ein positiveres Verhältnis zu unserem System“, erläuterte die Wissenschaftlerin und SPD-Politikerin im Oktober 2024 in einem Interview mit der DEMO.

Kommunaler Entwicklungsbeirat

Der Kommunale Entwicklungsbeirat setzt sich aus vier Gruppen zusammen: gewählten Politiker*innen, der Stadtverwaltung, Vertreter*innen der Zivilgesellschaft und Personen aus der Wirtschaft. Der Prozess umfasst mehrere Phasen von der Planung über regelmäßige Sitzungen, die schließlich in gemeinsame Empfehlungen münden. Danach folgt die Umsetzung. Für Krzok als Koordinatorin vor Ort sei die fachliche Begleitung und der „moderierte Dialog“ besonders wichtig gewesen, sagt sie.

Marco Bloch befasst sich als Projektmanager bei der Stadt Hoyerswerda mit dem Thema und hebt besonders hervor, dass eine Menge Engagement in der Sache steckt: „Überwiegend wurde die Arbeit in dem KEB ehrenamtlich geleistet“, betont Bloch. Geschätzt mehr als 1.000 Stunden seien in die Empfehlungen gesteckt worden, die im Oktober 2023 vorgelegt wurden. 

„Zusammengefunden und streiten gelernt”

Aus diesem Anlass würdigte Oberbürgermeister Torsten Ruban-Zeh (SPD) das Engagement der Beteiligten. „Es war eine tolle Idee, das Thema Grüner Saum wieder aufleben zu lassen. Viele Vertreter aus verschiedensten Organisationen, Verantwortungsträger, Stadträte, aber vor allem zahlreiche Bürgerinnen und Bürgerinnen aus Hoyerswerda haben sich im KEB zusammengefunden und streiten gelernt“, so der OB. 

Ein zusammenhängender Wander- und Erlebnispfad soll nach den Visionen des KEB entstehen, der „bekannte und stadtnahe mit naturnahen Bereichen“ verbindet, heißt es in den Empfehlungen. Konkret schlagen die Beiräte vor, einen Freizeitkomplex aufzuwerten. Auch Trimm-Dich-Geräte, einen Jugendtreff als Begegnungsort, Hinweistafeln an geschichtlich bedeutsamen Orten, einen Grillplatz sowie Kinderspielgeräte soll es als Ereignisorte geben. Grünflächen sollen ökologisch hochwertig bepflanzt, eine Blühwiese oder Streuobstwiesen auf stillgelegten Kleingartengrundstücken angelegt werden.

Finalist beim sächsischen Beteiligungspreis

Das besondere Beteiligungsformat überzeugte auch die Jury des Sächsischen Beteiligungspreises, der vom Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung (SMJusDEG) ausgeschrieben wurde. Hoyerswerda gehörte zu den neun Finalisten, die unter 50 Bewerbern ausgewählt wurden. Marco Bloch nahm den Preis entgegen. „Das ist für uns ein bedeutender Erfolg!“ Die 1.000 Euro Preisgeld würden gut genutzt und sollen in die Umsetzung des Projekts fließen. 

Für die Umsetzung der Aufwertung des Freizeitkomplexes sei erneut ein Beirat gegründet worden, „den wir über Fördermittel des sächsischen Justizministeriums finanzieren“, so Bloch. „Bis Ende 2026 wird es darum gehen, die Visionen des KEB sichtbar und erlebbar werden zu lassen“. 

 

Mehr zum Thema „Kommunalparlamente und Bürgerbeteiligung” lesen Sie im DEMO-Dossier.

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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