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Zurück in den Fokus

Naturkatastrophen und Ukrainekrieg haben den Zivil- und Katastrophenschutz wieder in den Blickpunkt gerückt. 

von Ulf Buschmann · 25. September 2024
Lübtheen Waldbrand

Als im Sommer 2019 in Lübtheen der Wald brannte, kämpften Feuerwehr und Bundeswehr gemeinsam gegen die Flammen an.

Das Jahr endete für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit viel ­Regen und Überschwemmungen. Was die Wassermassen anrichten können, schaute er sich zum Jahreswechsel im niedersächsischen Verden an. Nahe der Mündung der Aller in die Weser war der Fluss bis in die Stadt ­hinein über die Ufer getreten. Auch rund 50 Kilometer weiter nordöstlich kämpften vornehmlich freiwillige ­Helferinnen und Helfer von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk gegen das Wasser – die Flüsse Wümme und ­Wörpe liefen in der Gemeinde ­Lilienthal im Landkreis Osterholz und im Bremer Ortsteil ­Borkfeld durch Straßen und in die Keller der Anwohnerinnen und Anwohner.

Wachsende Alarmbereitschaft

Hochwasser in Norddeutschland, ausgedehnte Waldbrände in Brandenburg, im Elbsandsteingebirge oder wie aktuell im Harz sowie nicht zuletzt die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine: Dies alles habe „den Bevölkerungsschutz neu in den Fokus gerückt“, stellt unter anderem der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) fest. Die Bevölkerung merkt es zum Beispiel an den bundesweiten Warntagen. Bund und Länder erproben jährlich am zweiten Donnerstag im September die bestehenden Alarmsysteme: Die Warn-Apps „Nina“ und „Katwarn“ springen an, ­Sirenen heulen auf und per neuem Cell Broadcast bekommen die Menschen Warnungen auf ihre Mobiltelefone.

Auch vor Ort tut sich etwas. Führend dürfte der Landkreis Ludwigslust-Parchim sein. Dort hatte im Jahr 2019 bei Lübtheen der Wald gebrannt. SPD-Landrat Stefan Sternberg zeigte sich den Medien gegenüber sehr besorgt. Einer der Gründe: Die Feuerwehren konnten nicht in das brennende Gebiet vorrücken, weil dort Munitionsblindgänger liegen. Diese Hinterlassenschaft der ­Roten Armee macht Betreten auch für die Einsatzkräfte lebensgefährlich.

Politik und Verwaltung reagierten: Der Landkreis beschaffte „Hilfsmittel zur Waldbrandgefahrenabwehr“, erläutert Sprecher Andreas Bonin. „Dazu zählen insbesondere sogenannte Kreisregner und Düsenschläuche.” Im Jahr 2023 konnten zwei Waldbrandanhänger in Dienst gestellt werden, welche über weitere Ausrüstung wie Löschrucksäcke, Kreuzhacken oder Faltbehälter verfügen, die 25.000 Liter Wasser fassen. Außerdem hat der Landkreis Standorte möglicher Einsatzstellen an Gefährdungsschwerpunkten vorgeplant und Löschwasserentnahmestellen hergerichtet. Als es im Jahr 2023 wieder zu Waldbränden im Landkreis kam, konnten sie – auch wegen der getroffenen Maßnahmen – besser eingedämmt werden. 

In der norddeutschen Tiefebene tut sich ebenfalls etwas. So wird das Land Niedersachsen mobile Hochwasserschutzsysteme beschaffen, wie sie bereits vom Land Baden-Württemberg zum Jahreswechsel zur Verfügung gestellt wurden. Darüber hinaus plant Niedersachsen, sogenannte Sandsack-Füllmaschinen einzukaufen. Der Landkreis Osterholz selbst hat bereits einige Hochwasserschutzmaßnahmen gemeinsam mit der Stadtgemeinde Bremen angeschoben. So soll die Topografie der Wümme genauer untersucht werden.

Zivilschutz wieder wichtiger

Es sind aber nicht nur die Naturkatastrophen, die den Schutz der Bevölkerung wieder in den Mittelpunkt gerückt haben. Nach Russlands Angriff auf die Ukraine wird auch hierzulande lauter die Frage gestellt, wie die Menschen im Fall der Fälle vor kriegsbedingten Gefahren geschützt werden können. Der Zivilschutz müsse neu gedacht werden, fordern Experten. Die Verantwortlichkeit dafür liegt beim Bund. 

Die Kommunen fordern zum Beispiel, dass der Ausbau des Sirenennetzes weiterhin durch den Bund unterstützt werden solle. „Neben der Beschaffung und Förderung von materiellen Ressourcen und einer guten Ausbildung und Vernetzung erfordert der Ausbau des Zivil- und Katastrophenschutzes auch eine ausreichende personelle Ausstattung der Katastrophenschutzeinheiten“, sagt Sven Sonström, Sprecher des Landkreises Osterholz.

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) mahnt in Richtung Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) an, dass bei der Diskussion über die Zukunft des Gesundheitssystems auch der Zivil- und Katastrophenschutz mitgedacht werden müsse. „Es braucht Krankenhaus-, Versorgungs- und Rettungsdienststrukturen, die auch dann noch funktionsfähig sind, wenn sie doppelt gefordert sind: Bei der Versorgung der Zivilbevölkerung und bei der Versorgung verwundeter Soldatinnen und Soldaten sowie aus Kriegsgebieten flüchtender Menschen“, schreibt DRK-Generalsekretär Christian Reuter in der aktuellen Ausgabe der DRK-Publikation „Brennpunkt”. Es seien „berechtigte Zweifel angebracht, dass unser Gesundheitssystem einer solchen Doppelbelastung standhält“.

Autor*in
Ulf Buschmann

Ulf Buschmann ist freier Journalist in Bremen. Für die DEMOKRATISCHE GEMEINDE ist er seit 1998 als Autor tätig.

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