Neue Zahlen: Fast jeden Tag ein Femizid in Deutschland
Im Jahr 2023 sind alarmierend viele Straftaten gegen Frauen gezählt worden. Der Verein Frauenhauskoordinierung dringt darauf, den Entwurf des Gewalthilfegesetzes trotz Ampel-Aus wie geplant zu verabschieden.
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Geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen ist gestiegen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will gegen Straftaten gegen Frauen und Mädchen entschieden vorgehen. Ein geplantes Gewaltschutzgesetz soll Frauen mehr Schutzrechte zubilligen.
Eine neue Auswertung der Regierung zeigt, dass Frauen und Mädchen in vielerlei Hinsicht Opfer von Straftaten und Gewalt werden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte bei der Vorstellung des Lagebildes zu geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten: „Fast jeden Tag sehen wir einen Femizid in Deutschland.” Alle drei Minuten erlebe eine Frau oder ein Mädchen in Deutschland häusliche Gewalt. Jeden Tag würden mehr als 140 Frauen und Mädchen in Deutschland Opfer einer Sexualstraftat.
„Sie werden Opfer, weil sie Frauen sind. Das ist unerträglich – und verlangt konsequentes Handeln“, fasste Bundesinnenministerin Faeser auf der Pressekonferenz zusammen. Sie kündigte an, sich entschieden solcher Gewalt entgegen zu stellen und forderte „mehr Härte gegen die Täter und mehr Aufmerksamkeit und Hilfe für die Opfer“.
Zahl der Delikte in allen Bereichen gestiegen
Für das neue Lagebild wurden Daten der polizeilichen Kriminalstatisitk (PKS) ausgewertet: Nach Angaben in einer Mitteilung des Bundesinnenministeriums (BMI) waren es folgende Bereiche von Straftaten: Häusliche Gewalt, Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, Sexualstraftaten, Digitale Gewalt und Femizide. Darüber hinaus werden manche Straftaten gegen Frauen statistisch als Hasskriminalität erfasst, die ebenfalls als eigener Bereich in das neue Lagebild einfließen.
Laut BKA-Vizepräsident Michael Kretschmer, der den Bericht vorstellte, sind die Zahlen in allen Bereichen gestiegen. Im Jahr 2023 waren zum Beispiel rund 180.700 Frauen Opfer häuslicher Gewalt – 5,6 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Das Lagebild kann auf der Webseite des BKA abgerufen werden.
Recht auf Schutz und Beratung gefordert
Der Verein Frauenhauskoordinierung e.V. (FHK) nannte diese Zahlen alarmierend und lenkte den Blick auf das Gewalthilfegesetz zum Schutz gewaltbetroffener Frauen und Kinder, das bereits als Referentenentwurf vorbereitet wurde. Seit langem beklagt der Verein, dass das Hilfesystem für Betroffene von häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt unzureichend sei. Den steigenden Deliktzahlen stünde „ein chronisch unterfinanziertes Hilfesystem mit überlasteten Beratungseinrichtungen und über 14.000 fehlenden Frauenhausplätzen gegenüber“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Christiane Völz, Vorstandsvorsitzende von FHK, appellierte an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags: „Deutschland braucht einen Rechtsanspruch auf kostenfreien Zugang zu Schutz und Beratung.“ Sie sieht in dem Gesetzentwurf eine „historischen Chance, die Sicherheit von Frauen und ihren Kindern erstmals einheitlich und im gesamten Bundesgebiet“ abzusichern.
Gewalthilfe-Gesetz hat noch Chancen
Dazu müsste der Entwurf zum Gewalthilfesetz neben dem Bundestag bis zum 20. Dezember 2024 auch noch den Bundesrat passieren. CDU und Linkspartei haben laut FHK in der vergangenen Woche signalisiert, dass das Gesetz über die Regierungsparteien hinaus ihre Unterstützung finden könnte.
Laut Informationen des FHK e.V. soll der Entwurf noch kommende Woche ins Kabinett. Auch eine Verbändeanhörung werde es kurzfristig geben. In dem Entwurf ist der geforderte Rechtsanspruch ausdrücklich enthalten.
Ralf Bauer
ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.