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Studie: Handel profitiert von Verkehrsberuhigung

Fallen Parkplätze oder Straßenraum zugunsten des Rad- und Fußverkehrs weg, so fürchtet der Handel oft Kundenverluste und Umsatzeinbußen – das ist meist unbegründet, wie eine Difu-Analyse zeigt. 

von Karin Billanitsch · 15. April 2025
Ansicht des verkehrsberuhigten Teils der Langen Rötterstrasse in Mannheim

Ein verkehrsberuhigter Teil der Langen Rötterstraße in Mannheim. Hier gilt Tempo 20, es gibt mehr Platz für Zufußgehende und Fahrradfahrende. Das Deutsche Institut für Urbanistik lobt in einer Analyse die Umgestaltung des Straßenraums zugunsten von ÖPNV, Rad- und Fußverkehr. 

Ein schickes Stadtzentrum oder ein Stadtteil mit weniger Verkehrslärm, mehr Flaneure, mit Bäumen gesäumte Straßen und begrünte Plätze als Treffpunkte: Viele Städte führen verkehrsberuhigte Zonen ein – wie zum Beispiel jüngst die Stadt Mannheim: Die Lange Rötterstrasse in der Neckarstadt Ost wurde zu einem verkehrsberuhigten Geschäftsbereich umgebaut: eine engere Fahrbahn, Begrünung, Bänke zum Erholen und mehr Platz, um Fahrräder aufzustellen. „Damit wurde das Stadtteilzentrum in der Neckarstadt-Ost aufgewertet und behält gleichzeitig seine Funktion als wichtige Geschäfts- und Erschließungsstraße im Quartier“, teilte die Stadt mit. 

Neu: Tempo 20 im beruhigten Bereich

Neu ist auch Tempo 20 im verkehrsberuhigten Bereich. „Die Planung entstand auf Wunsch und in enger Abstimmung mit der Bürgerschaft vor Ort“, ergänzt der für Verkehrsplanung und Stadtentwicklung zuständige Bürgermeister Ralf Eisenhauer. Aus der Bürgerschaft heraus war auch ein Antrag gekommen, die Lange Rötterstraße durch eine Sperrung in eine Fußgängerzone oder eine Fahrradstraße für die Anwohnerinnen und Anwohner zu verwandeln. Allerdings gab es dagegen Bedenken, weil die Straße auch Schulen, Gewerbe- und Bürostandorte erschließt und eine belebte Geschäftsstraße ist. Die Verkehrsberuhigung war schließlich der gefundene Kompromiss. 

Difu-Analyse: „Ein attraktiver Raum zieht Menschen an“

Der Handel fürchtet oft Kunden- oder Umsatzverluste, wenn Parkplätze oder Straßenraum wegfallen durch verkehrsberuhigende Maßnahmen für mehr Fahrrad- oder Fußverkehr. Doch eine aktuelle Difu-Analyse zeigt, dass diese Befürchtung meist unbegründet ist – im Gegenteil: „Auch der Handel profitiert von Verkehrsberuhigungsmaßnahmen“, lautet das Ergebnis einer Analyse. Dafür hat das Institut empirische Studien und Praxisberichte aus dem In- und Ausland ausgewertet. 

„Die Analyse der empirischen Studien aus dem In- und Ausland zeigt, dass es keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Verkehrsberuhigungsmaßnahmen und einer wirtschaftlichen Schlechterstellung des Einzelhandels gibt“, sagt Difu-Studienleiterin Michaela Christ. „Die Studien und Praxisberichte zeigen vielmehr: Ein attraktiver öffentlicher Raum zieht Menschen an, lädt zum Bummeln und Verweilen ein und kommt damit auch dem Einzelhandel zugute.“ Schließlich sei für die Umsatzentwicklung vor allem die Kundenfrequenz relevant. 

Erfolgsfaktor Erreichbarkeit

Eine weitere zentrale Erkenntnis haben die Difu-Expert*innen gewonnen: Radfahrende und Zufußgehende geben zwar pro Besuch weniger Geld aus als Menschen, die mit dem Auto zum Einkaufen fahren. Aber: Dafür kommen sie öfter wieder, sodass sie insgesamt auch mehr Umsatz bringen. Fazit des Difu: „Von Umgestaltungen zugunsten des Fuß- und Radverkehrs profitiert daher auch der Einzelhandel.“

„Wichtig für den Erfolg von Verkehrsberuhigungsmaßnahmen ist, dass die Erreichbarkeit des Einzelhandels auch unabhängig vom Auto sichergestellt ist“, folgert Michaela Christ. Hierfür müssen die Alternativen zum Auto, also ÖPNV sowie Rad- und Fußverkehr, langfristig gestärkt werden. 

Parallel bewährt sich aus Sicht des Difu eine Parkraumbewirtschaftung, die es ermöglicht, dass der vorhandene Parkraum nicht durch Dauerparker belegt wird, sondern für potenzielle Kunden für Einkäufe zur Verfügung steht. „Darüber hinaus kann der Straßenraum durch eine Reduzierung der Parkplätze für vielfältige Nutzungen geöffnet werden, die das längere Verweilen für die Kunden attraktiver machen“, erläutert Difu-Wissenschaftlerin Uta Bauer.

Plädoyer für Umgestaltung

Für die Difu-Experten ist „eine Umgestaltung des Straßenraums zugunsten des Umweltverbundes – ÖPNV, Rad- und Fußverkehr – keine Frage des „Ob“, sondern des „Wie“. Denn zunehmende Verkehrsbelastungen hätten negativen Folgen für Gesundheit, Sicherheit, Umwelt und Wohlbefinden der Bürger*innen. 

Einzelhandel und Interessenverbände sollten sich dafür stark machen, dass positive Beispiele der Verkehrsberuhigung in ihrer Kommune aufgegriffen und an die jeweilige städtische Situation angepasst werden“, appellieren die Expert*innen. Für den Erfolg seien zudem passende Beteiligungsmaßnahmen und professionelle Kommunikation wichtig, bekräftigt Michaela Christ.

 

 

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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