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Kinderbetreuung während Ratssitzungen in vielen Kommunen nicht geregelt

Für Eltern ist es oft schwer, ein kommunales Ehrenamt mit Kindern zu vereinbaren. Trotz Erstattungs-Regeln im Kommunalrecht werden diese oft nicht umgesetzt oder sind zu wenig bekannt. Das zeigt eine aktuelle Umfrage aus Hessen.

von Karin Billanitsch · 18. Februar 2025
Neues Rathaus in Langen

Das neue Rathaus in Langen. In der südhessischen Stadt gibt es seit 2019 eine Regelung für die Übernahme von Kinderbetreuungskosten für die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung. 

Wer sich in der Kommunalpolitik engagiert, kennt es: Ratssitzungen finden meistens abends statt, nach Feierabend. Dann können auch die berufstätigen Ratsmitglieder teilnehmen. Doch für junge Mütter und Väter ist es deshalb oft schwierig, ein politisches Mandat und die Berufstätigkeit zu vereinbaren. Das hat der Gesetzgeber erkannt: So regelt zum Beispiel die Hessische Gemeindeordnung die Erstattung von Betreuungskosten. Doch wie eine Umfrage der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Sozialpolitik (SGK) in Hessen unter ihren Mitgliedern auf Initiative der DEMO gezeigt hat, wird diese Regelung in den Gemeindesatzungen oft nicht umgesetzt oder ist zu wenig bekannt. 

Auf die Frage: „Gibt es in Eurer Kommunal- oder Gemeindeordnung bereits eine Regelung zur Kinderbetreuung oder Kostenerstattung während Ratssitzungen?“ haben rund 23 Prozent von 66 hessischen Kommunen bejaht. Dort gibt es Regelungen, die entweder eine Kostenerstattung vorsehen oder die Mitnahme von Kindern zu Sitzungen erlauben. Dagegen fehlen entsprechende Regeln in rund 77 Prozent der Fälle. In einigen Fällen wird jedoch geduldet, dass Kinder mitgebracht werden. 

Blick in die Fläche 

Michael Siebel, Geschäftsführer der SGK in Hessen, betonte: „Die Veränderung der ehrenamtlichen Kommunalpolitik hin zu mehr Familienfreundlichkeit ist absolut wichtig.“ Dazu gehöre die Kostenerstattung von Kinderbetreuung, aber auch die Wertschätzung und Rücksichtnahme von Kommunalpolitiker*innen mit Kindern, sagte Siebel. 

Zu den Kommunen, die eine Entschädigungssatzung beschlossen haben, zählt Langen: Seit 2019 existiert eine Regelung zur Kostenübernahme für Kinderbetreuung. Die Altersgrenze für betreute Kinder in Sitzungen wurde von sechs auf zehn Jahre angehoben. Beim Kreistag Darmstadt-Dieburg können Betreuungskosten für Kinder bis zwölf Jahren sowie für pflegebedürftige Angehörige erstattet werden; allerdings gebe es zu wenige verfügbare Babysitter*innen. 

Ähnlich stellt sich die Situation in Idstein dar: Auf Antrag können Verdienstausfall oder die Kosten für eine Ersatzkraft zur Kinderbetreuung erstattet werden, heißt es. Es mangele aber an expliziten Betreuungsmöglichkeiten. Regelungen gibt es auch in Groß-Umstadt und Oestrich-Winkel, wo das Angebot aber laut eigener Aussage kaum genutzt wird. In mehreren Kommunen, darunter eine im Kreis Wetterau, wurde ein Antrag auf eine Regelung gestellt, die Entscheidung steht jedoch noch aus.

Michael Siebel

Die Veränderung der ehrenamtlichen Kommunalpolitik hin zu mehr Familienfreundlichkeit ist absolut wichtig.

Die hessischen Mitglieder der SGK nutzten die Umfrage als die Gelegenheit zu Anmerkungen zum Thema: Es gebe zu wenige verlässliche Babysitter*innen, keine offizielle Elternzeitvertretung und finanzielle Nachteile durch Anrechnungen auf das Elterngeld. Die Umfrage ergab darüber hinaus, dass Sitzungstermine oft familienunfreundlich gelegt sind, was die politische Teilhabe erschwert. „Schon eine geringfügige Verschiebung von Sitzungszeiten hilft Eltern mit Kindern, Familie und ehrenamtliche Politik unter einen Hut zu bringen“, sagte Siebel dazu. Darüber hinaus wurden Verbesserungen angeregt, etwa flexiblere Formate wie zum Beispiel Online-Sitzungen einzuführen. Auch das würde die Arbeit familienfreundlicher machen. 

Blick in andere Bundesländer

Auch in Gemeindeordnungen anderer Bundesländer gibt es Regelungen zur Erstattung von Kinderbetreuungskosten, wie etwa in Baden-Württemberg (§ 19). Das nähere werde durch Satzung geregelt. Entsprechende Satzungen gibt es. Schwäbisch Hall dürfte hier ein Vorreiter sein: Die Stadt hatte unter OB Herrmann-Josef Pilgrim einen Erstattungsanspruch bereits im Jahr 2001 eingeführt – bevor es landesrechtlich diskutiert wurde. Auch in Heilbronn hat der Stadtrat vor etwa zehn Jahren eine solche Regelung beschlossen. 

Führt man Gespräche mit Müttern und Vätern, so wird deutlich, dass die Erstattung von Kinderbetreuungskosten begrüßt wird, aber dennoch nicht ausreicht. Wenn die Kinder größer werden, in die Kita oder Grundschule gehen, werde es zunehmend schwieriger, ein Kommunales Mandat in einer Großstadt mit Kindern zu vereinbaren, erzählt eine Politikerin aus Baden-Württemberg. Andere berichten, manchmal werde es sogar unmöglich, das kommunale Ehrenamt auszuüben: Sie mussten die politische Mitarbeit sogar wegen fehlender Betreuungsmöglichkeiten einschränken oder ganz aufgeben. 

Auch in Rheinland-Pfalz gibt es eine Norm, aus der die kommunale Ebene einen Erstattungsanspruch in einer Satzung herleiten könnte. Jedoch könnte die Regelung noch bekannter  – sowohl für Ehrenamtler, als auch für die ein oder andere Verwaltung – gemacht werden, damit ein Anspruch auch aktiv gestellt werde, heißt es auf Anfrage der DEMO. 

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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