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Werkstatt für eine Moderne Verwaltung

Seit fünf Jahren entwickelt das CityLAB Berlin neue Ansätze für Behörden. Davon profitiert nicht nur die Hauptstadt. 

von Carl-Friedrich Höck · 27. Dezember 2024
Eingang des City-Lab in Berlin

Als „ein kleines öffentliches Innovationslabor mit Umsetzungskompetenz“ beschreibt dessen Leiter Benjamin Seibel das City-Lab in Berlin.

Optisch betrachtet ist das Berliner CityLAB ein einziger Stilbruch. Angesiedelt ist es in einem sandsteinfarbenen Gebäudekomplex mit schmalen Fenstern, typisch für die alten Bauten aus der Nazi-Diktatur. Doch der Eingang mit seinen bunten Aufklebern und rosa leuchtenden Neonröhren wirkt modern. Geht man hinein, gelangt man in Coworking-Spaces, umgeben von holzvertäfelten und denkmalgeschützten Wänden.

Es ist ein passender Ort für eine Ideenwerkstatt, deren Auftrag darin besteht, alte Routinen zu durchbrechen. Benjamin Seibel leitet das CityLAB und beschreibt es als „ein kleines öffentliches Innovationslabor mit Umsetzungskompetenz“. Gegründet wurde es im Jahr 2019 von der Technologiestiftung Berlin, finanziert wird es überwiegend vom Berliner Senat. Dass Labor tüftelt an neuen digitalen Werkzeugen für die Verwaltungen. Gleichzeitig will es einen Kulturwandel in den Behörden befördern.

Schnell gewachsen

Gestartet sei man mit sechs, sieben Leuten und einer Handvoll Ideen, erzählt Seibel. Mittlerweile gibt es rund 40 Mitarbeitende mit unterschiedlichen Expertisen, darunter Designer, Politik- und Verwaltungswissenschaftlerinnen, Open-Data-Spezialisten oder Öffentlichkeitsarbeiterinnen.
Einen ersten Achtungserfolg erzielte das CityLAB mit dem Projekt „Gieß den Kiez“. 

Dabei handelt es sich um eine Website, die den Wasserbedarf von Bäumen in der Nachbarschaft aufzeigt: Welcher Baum bekommt genügend Grundwasser, welcher muss zusätzlich gegossen werden? Die Anwendung war ursprünglich für die Grünflächenämter gedacht, im Entwicklungsprozess wurde die Zielgruppe angepasst. Nun können sich alle Berliner auf giessdenkiez.de informieren und zu Communities zusammenschließen, die an trockenen Tagen mithelfen, die Straßenbäume zu bewässern. 

Mehr Effizienz im Bürgeramt

Es folgten zahlreiche weitere Projekte. Zum Beispiel beobachteten Mitarbeiter des CityLAB den Alltag im Ausbildungsbürgeramt des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Dabei fiel auf, dass manche Berliner vorsorglich Termine buchen, sie aber nicht wahrnehmen. Die Folge: Die Mitarbeitenden rufen die Kunden auf, warten drei bis vier Minuten und bitten dann den nächsten Kunden herein. Auf den Tag hochgerechnet kommt so leicht eine halbe Stunde ungenutzte Wartezeit pro Mitarbeiter zusammen. 

Als Antwort auf das Problem wurde ein Check-in-System installiert: Wer aufs Bürgeramt kommt, gibt gleich am Eingang seine Wartenummer in ein Tablet ein. So wissen die Mitarbeiter, ob der Kunde wirklich im Haus ist. Die Kapazität konnte so um zehn Prozent gesteigert werden. 

Pilotprojekt für Formulargestaltung

Nicht alle Pilotprojekte, die das CityLAB mit den Behörden entwickelt, schaffen es dauerhaft in den Praxisalltag. Wirkung zeigen sie oft trotzdem. Ein Beispiel ist die „Digitalwerkstatt Verwaltung“, die zusammen mit der Senatsverwaltung für Inneres und Sport durchgeführt wurde. „Wir haben verschiedene Workshops veranstaltet, wo wir existierende Online-Formulare getestet haben mit Nutzerinnen und Nutzern“, schildert Smart-City-Designerin Anja Lüttmann das Projekt. Alles wurde kritisch überprüft: Nutzerführung, Aufbau der Seite, Qualität der Informationen, Begrifflichkeiten. Am Ende entwarfen die Teilnehmenden ein „ideales Formular“. 

Das Ergebnis, ein Antrag für eine Eheurkunde, wurde zwar nur als Designstudie veröffentlicht. Doch seitdem fragen andere Behörden auch mal proaktiv beim CityLAB Unterstützung an, wenn sie ein neues Formular erarbeiten. Damit rücken auch ganz neue Fragen in den Fokus, etwa: Welches Gefühl löst ein Dokument aus, wenn man es liest? Seibel kennt es aus eigener Erfahrung. Zur Einschulung seiner Tochter flatterte ein langer Brief mit einer Tabelle und ­einer komplizierten Berechnung ins Haus. „Er war so gestaltet, dass ich Angst bekam, viel Geld nachzahlen zu müssen“, gesteht Seibel. „Dabei hätten drei Sätze gereicht: Wir haben eine gute Nachricht. In Berlin ist die Nachmittagsbetreuung kostenlos. Wir wünschen Ihrer Tochter einen guten Start in die Schule!“

KI-Chatbot zu Parlamentsthemen 

Aktuell bestimmt das Thema Künstliche Intelligenz (KI) die Arbeit des CityLABs maßgeblich. Auch auf diesem Feld ist bereits ein Coup gelungen: Anfang 2024 ging die KI-Anwendung „Parla“ online. Gefüttert wurde sie mit der Datenbank des Berliner Abgeordnetenhauses, also schriftlichen Anfragen, Ausschussprotokollen und vielem mehr – insgesamt 15.000 Dokumenten. Wer wissen will, was die Stadt aktuell für den Klimaschutz tut oder welche Wohnungsbauprojekte gerade vorangetrieben werden, kann „Parla” befragen und die KI spuckt eine kompakte Antwort aus.

Weil das CityLAB sich aus Berliner Steuergeldern finanziert, liegt der Fokus der Arbeit auf Berlin und Brandenburg. Potenziell sollen aber auch andere Kommunen profitieren. „Das ist unser Anspruch“, betont Anja Lüttmann. Ein kostenloses „Handbuch für innovatives Arbeiten in Verwaltungen“ wird mittlerweile deutschlandweit genutzt. Seibel ergänzt: „Was wir wissen, veröffentlichen wir unter freier Lizenz“. Das gelte auch für Software, sodass andere Kommunen an die Aufbauarbeit anknüpfen können. Übrigens: Das Konzept von „Gieß den Kiez“ wurde bereits erfolgreich kopiert, so etwa in Leipzig und Magdeburg.
 

Mehr Informationen:
citylab-berlin.org

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