Perspektiven

Herausforderungen und Perspektiven des ÖPNV in Sachsen-Anhalt

Ein Überblick über die aktuelle Situation des öffentlichen Nahverkehrs in Sachsen-Anhalt. Ein Beitrag von Tim Harzer, SGK Sachsen-Anhalt.

von Tim Harzer · 2. Januar 2025
Bild einer Baustelle zum Ausbau des Straßenbahnnetzes

Baustelle zum Ausbau des Straßenbahnnetzes

Die Magdeburger Verkehrsbetriebe (MVB) stehen im Mittelpunkt einer komplexen Situation, die nicht nur die Landeshauptstadt, sondern auch den gesamten öffentlichen Nahverkehr in Sachsen-Anhalt betrifft. In den letzten Monaten haben sich verschiedene Herausforderungen angehäuft, die sowohl betriebliche als auch politische Dimensionen umfassen. Die Debatten im Stadtrat von Magdeburg und im Landtag spiegeln die Dringlichkeit wider, mit der diese Probleme angegangen werden müssen.

Aktuelle Herausforderungen der MVB

Die MVB sieht sich aktuell mit einem Fahrzeugengpass konfrontiert. Aufgrund des Alters der in den 90er Jahren beschafften Triebwagen gibt es einen hohen Wartungsaufwand  sowie erhöhten Bedarf an Ersatzteilen. Mit der Folge, dass weniger Fahrzeuge zur Verfügung stehen. Ein Dutzend Fahrzeuge fehlen derzeit im Fahrgastbetrieb, was wiederum zu längeren Wartezeiten und sporadischen Fahrtausfällen führt. Sparmaßnahmen in der Zeit von 2003 bis 2014 bei der MVB stellen diese, durch den angefallenen Investitionsstau, bis heute vor größere Herausforderungen. Im Jahr 2003 wurde auch ein Einstellungsstopp erlassen.

Diese Probleme sind nicht isoliert; sie spiegeln die allgemeine Situation im gesamten Bundesland wider, wo der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) unter ähnlichen Belastungen leidet. In Sachsen-Anhalt fielen seit Jahresbeginn über 53.000 Zugfahrten aus, was auf eine Personalknappheit und instabile Lieferketten zurückzuführen ist.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, setzt die MVB auf innovative Lösungen wie den 3D-Druck von Ersatzteilen und die Zusammenarbeit mit lokalen Firmen.

Politische Debatten im Stadtrat und Landtag

Im Stadtrat von Magdeburg wird intensiv über die Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs diskutiert. Ein zentrales Thema ist die geplante Erweiterung des Straßenbahnnetzes, insbesondere die zweite Nord-Süd-Verbindung, die bis 2027 realisiert werden soll. Diese Erweiterung wird als entscheidend angesehen, um neue Stadtteile anzubinden und die Attraktivität des ÖPNV zu erhöhen.

Die SPD-Fraktion hat betont, dass trotz der aktuellen Schwierigkeiten eine hohe Zuverlässigkeit von 98,94 Prozent erreicht wurde. Gleichzeitig wird ein dringender Bedarf an Bürgerbeteiligung bei der Planung neuer Strecken gefordert. Kritiker verlangen eine stärkere Einbindung der Anwohner in Entscheidungsprozesse, um Unmut zu vermeiden und sicherzustellen, dass die Bedürfnisse der Bürger berücksichtigt werden.

Im Landtag von Sachsen-Anhalt wird darüber hinaus intensiv über das Deutschlandticket diskutiert, dessen Preis ab Januar 2025 von 49 auf 58 Euro steigen soll. Diese Erhöhung hat gemischte Reaktionen ausgelöst; einige Landräte haben mit einem Ausstieg aus dem Deutschlandticket gedroht, da sie befürchten, dass die finanziellen Belastungen nicht tragbar sind. Die Ministerin für Infrastruktur und Digitales, Lydia Hüskens (FDP), betont jedoch die Bedeutung des Deutschlandtickets zur Förderung des ÖPNV in Sachsen-Anhalt.

Situation bei der Deutschen Bahn

Die Deutsche Bahn (DB) sieht sich ebenfalls mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. Aktuelle Pläne sehen vor, zahlreiche Fernverkehrsverbindungen einzustellen, insbesondere in Ostdeutschland. Diese Entscheidungen stoßen auf heftige Kritik von verschiedenen politischen Akteuren sowie von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) in Sachsen-Anhalt.

Die EVG argumentiert, dass diese Streichungen dem versprochenen Netzausbau widersprechen und die Mobilität der Bürger gefährden. Ministerin Hüskens wird aufgefordert, energisch gegen diese Pläne vorzugehen und sich für den Erhalt der Verbindungen einzusetzen. Der bereits spärliche Zugang zu Fernverbindungen in Sachsen-Anhalt steht in krassem Widerspruch zu den Bedürfnissen der Bürger und der Wirtschaft.

Infrastrukturprojekte und ihre Bedeutung

In Sachsen-Anhalt wird derzeit eine Vielzahl an Infrastrukturprojekten durchgeführt, um den öffentlichen Nahverkehr zu verbessern. Baustellen beeinträchtigen häufig den Betrieb der Straßenbahnen und Züge, was zu Umleitungen und längeren Fahrzeiten führt. Dennoch sind diese Maßnahmen notwendig, um den Verkehrsfluss zu optimieren und die Attraktivität des ÖPNV zu erhöhen. Ein Beispiel dafür ist der geplante barrierefreie Ausbau von Haltestellen sowie die Optimierung von Lichtsignalanlagen zur Beschleunigung des ÖPNV. Diese Projekte sind Teil eines umfassenden Verkehrsentwicklungsplans, der darauf abzielt, den öffentlichen Nahverkehr attraktiver zu gestalten und gleichzeitig den Klimaschutz zu fördern.

Ausblick auf die Zukunft

Trotz aller Herausforderungen gibt es Lichtblicke am Horizont. Die MVB plant ab 2025 neue Flexity-Straßenbahnen einzuführen, die mehr Platz und Komfort bieten sollen. Auch wenn kurzfristig weiterhin Fahrtausfälle möglich sind, zeigen die Anstrengungen der MVB und der Stadtverwaltung, dass man bestrebt ist, das Angebot zu verbessern. Insgesamt steht der öffentliche Nahverkehr in Sachsen-Anhalt vor einer entscheidenden Phase. Die Kombination aus politischen Debatten über das Deutschlandticket, infrastrukturellen Maßnahmen zur Verbesserung des ÖPNV sowie den Herausforderungen bei der Deutschen Bahn könnte dazu beitragen, eine nachhaltige Mobilität für alle Bürger zu gewährleisten.

Der Schlüssel liegt in einer engen Zusammenarbeit zwischen Verkehrsunternehmen, Kommunen und Bürgern sowie in einer klaren Strategie zur Bewältigung der bestehenden Herausforderungen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Sachsen-Anhalt vor einer kritischen Zeit steht: Die Notwendigkeit einer umfassenden Reform des öffentlichen Nahverkehrs ist dringlicher denn je. Der Erfolg dieser Reformen hängt jedoch von einer effektiven Umsetzung der geplanten Maßnahmen sowie von einer aktiven Beteiligung aller Stakeholder ab – nur so kann ein zukunftsfähiges Verkehrssystem geschaffen werden.

Autor*in
Tim Harzer

Geschäftsführer der SGK Sachsen-Anhalt

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