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Wohnungsbau neben Gewerbe: Was sich beim Lärmschutz ändern soll

Die Bundesregierung will Lärmschutz-Vorgaben anpassen, um mehr Wohnungsbau zu ermöglichen. Die geplante Novelle der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm sollte nach Ansicht mehrerer Sachverständiger im Bundestag ergänzt werden.

von Karin Billanitsch · 1. Oktober 2024
Bebauungsplan

Die Anwendung der neuen Experimentierklausel in der TA-Lärm-Novelle soll nur im Rahmen der Bauleitplanung möglich sein – hier ein Symbolbild eines Bebauungsplanes.  Experten fordern eine Ausweitung auf Paragraph 34 BauGB. 

Die Bundesregierung plant, die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) zu verändern, um den Wohnungsbau in der Nähe von Gewerbe- und Industriegebieten zu erleichtern. Sie hofft, damit mehr Wohnraum schaffen zu können. Der Referentenentwurf liegt vor – kürzlich forderten Sachverständige in einer Anhörung im Bundestag allerdings Ergänzungen. 

Grundsätzlich sollen nachts höhere Immissionsrichtwerte erlaubt werden, wenn Wohnungsbau in urbanen Gebieten, in Kern- und Mischgebieten sowie in allgemeinen Wohngebieten an Gewerbe- und Industriegebiete heranrückt. Dafür muss ein Bebauungsplan vorliegen. Konkret gibt es eine „Experimentierklausel“, die bis Ende 2032 zeitlich befristet ist.

Für die kommunalen Spitzenverbände begrüßte Bernd Düsterdiek grundsätzlich die Pläne der Bundesregierung, mit der sie versuche, Lärmkonflikte beim Heranrücken von Wohnbebauung an gewerbliche und industrielle Nutzung zu lösen. „Dies leistet einen Beitrag, mehr Wohnnutzungen durch Nachverdichtungen in Innenstädten und Gemengelagen zu ermöglichen“, so der Sachverständige. 

Kontroverse Diskussion um Experimentierklausel

Allerdings gibt es kontroverse Diskussionen um Details. Die Experimentierklausel finden die Verbände „als ersten Schritt“ sinnvoll, „damit die Bauleitplanung und die Immissionsschutzbehörden Erfahrungen mit innovativen Lösungsansätzen sammeln können“. Allerdings geht den kommunalen Spitzenverbänden die Regelung nicht weit genug. Deshalb regte Düsterdiek an, die Experimentierklausel auch auf Vorhaben nach § 34 BauGB auszudehnen. Der Paragraf erlaubt Neubauten auch ohne Bebauungsplan, wenn sich das Gebäude in die nähere Umgebung eines Ortsteils einfügt.

Auch Oliver Gewand vom Wohnungswirtschaftsverband GdW monierte, es sei nicht verständlich, dass die Anwendung auf Bebauungspläne beschränkt sei und nicht auf § 34 BauGB ausgedehnt werde. In diesem Punkt kommt auch massive Kritik seitens der Clubszene: Philipp Schröder-Ringe, Härting Rechtsanwälte, kritisierte, die Experimentierklausel schaffe keine Verbesserungen für Clubbetreibende, da sie nur gelten solle, „wo neue Bebauungspläne aufgestellt werden und nicht in den gemäß § 34 BauGB bebauten Innenstadtlagen, wo wir jedoch die meisten Lärmkonflikte feststellen müssen”. 

Er sprach sich für eine „Kulturschallverordnung“ aus – ähnlich wie vergleichbare Regelungen für den Sport. Schröder-Ringe erklärte, aktuelle Lärmkonflikte könnten mit der Experimentierklausel nicht aufgelöst werden. Musikkultur werde als Kultur zweiter Klasse festgeschrieben. Die Clubs, die er vertritt, fordern, Musik- und Veranstaltungslärm nicht mit Gewerbelärm gleichzusetzen. 

Plädoyer für längere Fristen 

Die Kommunalen Spitzenverbände plädierten außerdem für eine Verlängerung der Frist für die Experimentierklausel auf zehn Jahre. Auch der Vertreter des GdW fand den „Zeitrahmen für die Anwendung der Experimentierklausel zu kurz“. 

Die Experimentierklausel erlaubt beispielsweise den Einsatz besonderer Fensterkonstruktionen. Die Stadt Hamburg hat mit solchen speziellen Fenstern bereits Erfahrungen gemacht. Stefan Mundt von der Hansestadt Hamburg schilderte, dass solche Fenster ­ ­– auch „HafenCity-Fenster“ bzw. „Hamburger Fenster“ genannt – auch im gekippten Zustand eine hohe Schalldämmung bewirken. Allerdings zeige die bisherige Erfahrung, dass mit solchen Fenstern kein ausreichender Luftwechsel möglich sei, so Mundt, was aber wiederum in der neuen Regel vorausgesetzt werde. „Das ist aber wegen der innovativen Lüftungskonzepte in Neubauten gar nicht mehr nötig“, betonte Mundt in seiner Stellungnahme. Deshalb könne die entsprechende Anforderung zu ausreichender Luftzufuhr gestrichen werden, empfahl der Experte.

Kritik an Ausnahmeregel

Die kommunalen Spitzenverbände regten außerdem an, eine andere Klausel ganz zu streichen, die Ausschlusskriterien für die Experimentierklausel festlegt. Sie greift, wenn die geplante Wohnbebauung an Anlagen heranrückt, „für die zukünftig Änderungen oder Erweiterungen vorgesehen sind, die im öffentlichen Interesse“ liegen. Das sei zu unbestimmt und „kein taugliches Abgrenzungskriterium und lässt die Experimentierklausel damit ins Leere laufen“. 

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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