Brennpunkt Hauptbahnhof: So reagiert Hamburg auf Probleme
Hamburg macht seine wichtigste Bahnstation attraktiver – mit Sicherheitskonzept und abgestimmten Hilfsangeboten.
Susanne Dohrn
Ziel des Social HUB der Bahnhofsmission ist koordinierte und kontinuierliche Hilfe, so Eva Lindemann. Für besonders verelendete Menschen steht in der Bahnhofsmission ein Notpflegeraum zur Verfügung.
Mit seinen 550.000 Reisenden täglich ist der Hamburger Hauptbahnhof der am meisten frequentierte Bahnhof der Deutschen Bahn. Doch er hat ein Problem. Hier sammeln sich auch die Gestrandeten: Menschen ohne Obdach, Alkoholkranke, Drogensüchtige, Bettler und (Klein)kriminelle. Um die Aufenthalts- und Reisequalität zu verbessern haben Hamburger Senat, Deutsche Bahn, Bundespolizei und Bahnhofsmission gemeinsam ein umfassendes Konzept entwickelt, das überregional Anklang findet. „Wir begegnen den Herausforderungen rund um den Hauptbahnhof durch ein enges Miteinander von sozial- und sicherheitspolitischen Maßnahmen“, sagt Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer. Dazu würden die unterschiedlichen Hilfs- und Beratungsangebote noch enger miteinander verzahnt. Gleichzeit werde die Einhaltung von Regeln eingefordert.
Neues Hilfs- und Beratungsangebot
Ein neues Hilfs- und Beratungsangebot ist der „Social HUB“ in den Räumen der Bahnhofsmission. Vor der Tür des transparent gestalteten Neubaus unmittelbar vor der Bahnhofshalle legt das Krankenmobil der Caritas regelmäßig einen Stopp ein. In ihm werden Menschen ohne Krankenversicherung und Obdach, oft sind es Arbeitsmigranten aus Osteuropa, von ehrenamtlichen Ärzten und Pflegefachkräften medizinisch versorgt. Am Eingang der Bahnhofsmission herrscht reges Kommen und Gehen. Eva Lindemann, Sprecherin der „hoffnungsorte hamburg/Verein Stadtmission”, des geschäftsführenden Trägers der Bahnhofsmission, erklärt die Bandbreite der Angebote.
Ziel ist eine koordinierte und kontinuierliche Hilfe von der medizinischen Betreuung über sozialpsychiatrische Beratung bis im Idealfall zur Vermittlung einer dauerhaften Wohngelegenheit. Wohnungslose können hier auch einfach ihre Handys aufladen, um zum Beispiel für Jobangebote erreichbar zu sein. Im Aufenthaltsbereich wird gerade ein Gast, der im Rollstuhl sitzt, beraten und anschließend nebenan im barrierefreien Notpflegeraum mit Dusche und Sitzbadewanne medizinisch versorgt. Er will nach Schweden, wo er herkommt. „Mal sehen, wie wir ihm helfen können“, sagt die Mitarbeiterin am Tresen.
Medizinische Hilfe
„Seit wir den Notpflegeraum haben, können wir bei besonders verelendeten Menschen feststellen, dass ihre Wunden abheilen und sie sich langfristigeren Lösungen wieder öffnen können“, so Lindemann. Als Ansprechpartner sind Mitarbeiter der Bahnhofsmission auch im und rund um den Bahnhof unterwegs. Mit dem Haus Jona verfügten die „hoffnungsorte hamburg” zudem über 31 Notschlafplätze. Hier können einzelne Obdachlose sowie Familien übernachten, wenn sie nachts am Hauptbahnhof stranden. „Wenn es im Hotel keine Plätze mehr gibt, werden ansonsten die Eltern getrennt nach Männern und Frauen untergebracht und den Kindern droht die In-Obhutnahme“, sagt Lindemann.
Als Herzstück der „Allianz sicherer Hauptbahnhof“ sorgen seit Frühjahr 2023 die Einsatzkräfte der „Quattro-Streifen“ täglich für Sicherheit und Ordnung. Die Vierer-Teams aus Polizei Hamburg, Bundespolizei, DB Sicherheit und Hochbahnwache sind rund um den Bahnhof unterwegs und jederzeit ansprechbar. Ob ein Verstoß gegen das Hausrecht vorliegt, eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat – die Streifen können gegen jede Art von Störungen eingreifen und handeln – vom Hausverbot bis zu Festnahme. „Wir setzen auf Präsenz und Konsequenz“, so Innensenator Andy Grote (SPD). Im August 2024 wurde zudem die Video-Überwachung ausgeweitet.
Vierer-Teams für Sicherheit im Einsatz
Die Vierer-Teams haben sich, so Grote, zu einem „echten Erfolgsmodell“ entwickelt. Bremen hat ebenfalls solche Streifen im Einsatz. In Hannover werden entsprechende Gespräche geführt. Zuletzt waren Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und Zürichs Stadtpräsidentin Corine Mauch in Hamburg und mit der Quattro-Streife unterwegs. Auch der Präsident des Bundespolizeipräsidiums Dieter Romann war im vorigen Jahr da.
Die Zahlen sprechen für sich. Im Jahr 2024 haben die Quattro-Streifen bis Ende Juni mehr als 330 Strafanzeigen gestellt. In 1.680 Fällen wurde das Hausrecht durchgesetzt und mehr als 7.000 Personen wurden überprüft. Seit April 2024 gilt am Hauptbahnhof ein Alkoholkonsumverbot und seit Herbst vergangenen Jahres ein Waffenverbot. Seitdem wurden insgesamt 366 Messer und 156 sonstige verbotene Gegenstände sichergestellt. Die Innenbehörde geht davon aus, dass damit weitere mit dem Einsatz von Waffen verbundene Straftaten verhindert werden konnten. Seit Herbst 2023 ist ein leichter Rückgang der Kriminalitätsbelastung im Hauptbahnhof zu verzeichnen.
Dieser Text stammt aus der Ausgabe DEMO 3/2024 zum Thema Sicherheit in Kommunen. Hier können Sie die DEMO als Heft oder E-Paper abonnieren.