Wohnungsbau: „Wir wollen hier Prioritäten setzen“
Mit einer millionenschweren Wohnungsbauoffensive möchte Mönchengladbach
modernen und bezahlbaren Wohnraum schaffen. Oberbürgermeister Felix Heinrichs (SPD) erklärt das Konzept.
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Marktplatz im Stadtteil Rheydt: Wenige Hundert Meter entfernt liegt ein neues Wohnheim für Studierende. Sie sollen die Innenstadt beleben.
In vielen Großstädten fehlen bezahlbare Wohnungen. Wie ist die Situation in Mönchengladbach?
Auch in Mönchengladbach gibt es viele Menschen, die sich bei uns melden, weil sie keine bezahlbare Wohnung finden. Wir analysieren das regelmäßig in einem Wohnungsmarktbericht. Der kommt zu dem Ergebnis, dass gerade für größere Familien passende Wohnungen fehlen. Allerdings handelt es sich insgesamt betrachtet hierbei um einen kleineren Anteil des Gesamtbedarfs. In Mönchengladbach verfügen mehr als die Hälfte der rund 137.000 Haushalte über ein Einkommen von unter 25.000 Euro pro Jahr. Etwa 26.000 dieser Haushalte sind auf Leistungen der sozialen Mindestsicherung angewiesen, was einer Mindestsicherungsquote von 16,9 Prozent entspricht. Wir sehen auch, dass viele geförderte Wohnungen aus der Mietpreis- und Belegungsbindung rausfallen. Über viele Jahrzehnte wurde zu wenig neuer und moderner Wohnraum im bezahlbaren Segment geschaffen.

Felix Heinrichs (SPD). Foto: Carlos Albuquerque
Ihre Stadt hat eine Wohnungsbauoffensive ausgerufen. Was ist darunter zu verstehen?
Wir haben uns vor Ort die Situation angeschaut. Es gibt einen großen Bedarf an Wohnungen, aber die Zinsen sind gestiegen und aktuell baut kaum noch jemand. Deshalb haben wir überlegt, wie wir mit unseren beiden kommunalen Wohnungsbaugesellschaften – die in der WohnBau Mönchengladbach zusammengefasst sind – mehr selbst bauen können. Es gab vor allem zwei Probleme: Der WohnBau fehlen Grundstücke, und es fehlte Eigenkapital. Ohne dieses Eigenkapital konnten wir in den vergangenen Jahren auch kaum die Fördermittel nutzen, die es für den Wohnungsbau gab. Deswegen haben wir beschlossen, dass die WohnBau einmalig keine Gewinne an die Stadt ausschütten muss. Sie konnte das Geld behalten als Eigenkapitalstock für Wohnungsbauprojekte. Und das, obwohl die Stadt chronisch unterfinanziert ist und wir auf einen überschuldeten Haushalt zulaufen.
Zweitens haben wir geschaut, welche passenden Grundstücke wir in die WohnBau einlegen können. Einlegen bedeutet: Wir verkaufen die Grundstücke nicht als Stadt, sondern erhöhen mit der Einlage unseren Anteil an den Wohnungsunternehmen und damit auch den Unternehmenswert.
Drittens haben wir gezielt Objekte herausgesucht, die wir dauerhaft nicht mehr haben wollen. Zum Beispiel Einfamilienhäuser, denn diese zu vermieten ist in meinen Augen keine kommunale Aufgabe. Wir veräußern also einen kleinen Teil unserer Bestände und nutzen diese Einnahmen, um sie wiederum in Neubau zu investieren.
Die Wohnungsbauoffensive hat ein Gesamtvolumen von 43 Millionen Euro. Wie kann eine finanziell klamme Stadt wie Mönchengladbach sich das leisten?
Der Großteil dieser Summe besteht aus öffentlicher Förderung und Darlehen von Banken. Die Kommune stellt etwa zehn Prozent des Betrages bereit. Das ist uns finanziell schwergefallen, weil das Geld an anderer Stelle im Haushalt fehlt. Aber wir wollen hier auch Prioritäten setzen. Wenn es am Geld liegt, dass unsere Unternehmen mehr Wohnungen bauen können, dann müssen wir das eben einmalig an anderer Stelle kompensieren. Das Geld ist gut angelegt. Wir haben bei der WohnBau einen fähigen Vorstand und gute Architekten im Haus. Sie trauen sich zu, auf Standardisierung zu setzen, trotz Kostenoptimierung qualitätsvoll zu bauen und so auch die Kosten für neue Gebäude zu reduzieren.
2023 wurde die Wohnungsbauoffensive gestartet. Was hat sie bisher gebracht?
Wir sind gerade schon dabei, 80 bis 90 Wohneinheiten neu zu bauen. Man sieht auch jetzt schon, dass die Fördermittel für den öffentlichen Wohnungsbau in unserer Stadt viel stärker genutzt werden. Wir haben 2021 nur fünf Prozent des Budgets für Mönchengladbach ausgenutzt, 2022 waren es 42 Prozent. Dann ist der Umschwung gelungen, dank steigender Zinsen und weil wir selbst wieder an den Markt gegangen sind. Viele Private haben nachgezogen. 2023 haben wir 149 Prozent unseres Budgets verausgabt. Das Land hat also nochmal die Hälfte nachgeschoben, weil hier so viel umgesetzt werden konnte. 2024 haben wir sogar 274 Prozent des ursprünglichen Budgets ausgegeben. Das zeigt: Es gibt jetzt viel mehr Anträge für geförderte Wohnungsbauprojekte.
Felix Heinrichs
Es ist wichtig, dass Unternehmen belohnt werden, wenn sie nicht spekulieren.
Bundesbauministerin Klara Geywitz hat dafür gesorgt, dass der Bund sich deutlich stärker als bisher am sozialen Wohnungsbau beteiligt. Ist das in Mönchengladbach spürbar?
Es ist gut, dass der Bund einen stärkeren Fokus auf den Wohnungsbau legt. Wir hoffen, dass auch beim Thema Baustandards noch mehr passiert, damit der Wohnungsbau einfacher wird. Es gibt 16 verschiedene Landesbauordnungen. Unsere Architekten wollen günstig und trotzdem mit einem guten Standard bauen. Wenn wir modulare Bauweisen nutzen, müssen wir immer erst mal schauen, ob es dafür in Nordrhein-Westfalen schon eine Typenzulassung gibt. Da können wir in Deutschland noch unbürokratischer werden.
Wichtig ist auch, dass wir das Thema Sanierung nicht aus dem Blickfeld verlieren. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen wir bis 2045 unseren gesamten Gebäudebestand energetisch sanieren oder neu bauen. Das darf keine Entweder-oder-Entscheidung werden. Wir können ja nicht sagen, wir brauchen jetzt unser ganzes Personal und Kapital für die energetische Sanierung und schaffen deshalb leider keine einzige neue Wohnung mehr.
Die Bundesregierung hat eine neue Wohngemeinnützigkeit eingeführt. Das heißt: Gemeinnützige Unternehmen, die dauerhaft vergünstigte Mieten garantieren, profitieren von Steuervorteilen. Erwarten Sie, dass das Ihrer Stadt weiterhilft?
Ich denke schon. Es ist wichtig, dass Unternehmen belohnt werden, wenn sie mit Wohnungen nicht spekulieren. Wir als Kommunen haben mit unseren Wohnungsunternehmen genau diesen Hintergrund: Wir wollen, dass die Menschen auch langfristig bei uns wohnen können. Um diese soziale Sicherheit zu bieten, müssen wir viel investieren. Ein Großteil des Wohnungsbestandes in Mönchengladbach stammt aus den 1970er Jahren. Diese Wohnungen sind in hohem Maße sanierungsbedürftig. Die Gemeinnützigkeit kann ein Anreiz sein, diese Bestände zu halten und zu sanieren.
Nicht nur kommunale Wohnungsbaugesellschaften brauchen Grundstücke zum Bauen, sondern auch die privaten Bauherren. Steht das Thema auf Ihrer Agenda?
Ja. Boden ist nicht vermehrbar. Wir müssen uns sehr gut überlegen, wie wir vorhandene Grundstücke nutzen und wo wir nachverdichten können. Wir haben jetzt Beispiele von ehemaligen Kirchen oder Schulen, die unter anderem durch die WohnBau Mönchengladbach zu Wohnungen umgebaut werden. Und wir versuchen, Grundstücke mehrfach zu verwerten. Also zum Beispiel unten eine Kita hinzubauen und obendrauf Wohnungen, um die Fläche besser auszunutzen.
Die Arbeitswelt verändert sich und der Online-Handel verändert unsere Innenstädte. Gibt es Beispiele aus ihrer Stadt, wie Gewerbe und Büros zu Wohnungen umgenutzt werden können?
Im Stadtteil Rheydt gibt es zum Beispiel das City Haus, eine größere Immobilie, in der Büros und eine Musikschule untergebracht waren. Wir untersuchen gerade, wie sich das in Wohnraum umbauen lässt. An einer anderen Stelle würden wir gerne aus einem alten Büro- und Apothekengebäude Wohnungen und einen Quartierstreffpunkt machen. Dazu sind wir mit der Montag-Stiftung in sehr konkreten Gesprächen.
Studierende und Auszubildende haben in der Regel besonders wenig Geld zum Leben. Was unternimmt die Stadt, damit auch sie bezahlbare Unterkünfte finden?
Vor wenigen Jahren haben wir mit unserer WohnBau ein großes Studierendenwohnheim realisiert. Das sind Apartments mitten in der Rheydter Innenstadt. Wir haben das auch als einen Beitrag zur Innenstadtentwicklung verstanden. Studierende haben selten ein eigenes Auto, sie wollen vieles zu Fuß oder mit dem ÖPNV erledigen. Sie halten sich also viel im öffentlichen Raum auf. Und wo junge Menschen sind, entstehen auch Studentenkneipen, eine Kulturszene und vieles mehr. Für Auszubildende aus dem Ausland haben wir ein Projekt in kleinerem Umfang gestartet: Gemeinsam mit dem Jobcenter wurden zum Beispiel spanische Erzieherinnen angeworben und vorerst durch die Stadt untergebracht. Zumindest so lange, bis klar ist, ob sie längerfristig hierbleiben und sich eine Wohnung in Mönchengladbach suchen wollen.
Haben Sie als Oberbürgermeister einen Wunsch an die nächste Bundesregierung mit Blick auf die Wohnungspolitik?
Das Wichtigste ist, dass die Kommunen in der Lage sind zu handeln. Dafür müssen die Städte finanziell gut ausgestattet sein. Das ist genauso wichtig, wie die Bauordnungen zu entschlacken, und manchmal noch wichtiger als die Fördermittel. Denn bei jeder Förderung gibt es einen Eigenanteil, der geleistet werden muss. Hätten wir vor Jahren aus Geldnot unsere Wohnungsbauunternehmen verkauft, wären wir jetzt nicht handlungsfähig. Deshalb brauchen wir jetzt eine kommunale Altschuldenregelung und eine faire Lastenverteilung zwischen den staatlichen Ebenen.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.